Die Jobmessen der Zukunft mit ChefTreff

Chefs für Berufseinsteiger

Spätestens nach dem Uni-Abschluss steht er an, der erste Besuch auf einer Karrieremesse – eigentlich, wenn nicht gerade eine Pandemie das Land lahmlegt. Corona stellt die Messewirtschaft aktuell vor große Herausforderungen, das gilt auch für die klassischen Jobmessen, die Bewerber*innen mit Unternehmen zusammenbringen sollen. In jedem Bundesland gelten eigene Veranstaltungsregeln. Immerhin: In den meisten Bundesländern sind laut Verband der Deutschen Messewirtschaft AUMA Messen wieder möglich, wenn auch unter eingeschränkten Bedingungen.

Viele Unternehmen und Organisationen denken daher verstärkt über virtuelle Karrieremessen nach – schließlich lebt die junge Generation online. Dazu kommt: Besonders angenehm sind die etablierten Jobmessen ohnehin nicht für jeden. Das Ambiente ist oft eher steif, HR-Mitarbeiter*innen warten am Stehtisch, adrett gekleidete Berufsanfänger*innen betrachten brav Firmenlogos auf Rollups. „Man geht hin, um Broschüren und Bleistifte abzustauben”, scherzt Lilly Wittrock, „die klassische Jobmesse ist relativ tot”. Junge Leute würden heute ganz andere Dinge von ihrem Job als früher erwarten, aber die Konzepte der Karriereveranstaltungen seien kaum mitgewachsen, sagt die 25-Jährige. Also gründete sie mit ihrem Kommilitonen Jan Henri Kalinowski zusammen ein Unternehmen für eine völlig neue Art der Berufsorientierung: ChefTreff.

Auf ihren „ChefTreffs” geht es locker zu – und es kommen nicht nur Mitarbeiter*innen aus der Personalabteilung der Unternehmen, sondern namhafte Bosse: Etwa der „Höhle der Löwen”-Investor und Unternehmer Ralf Dümmel oder selfapy-Gründerin Nora Blum. Es gehe um Persönlichkeiten auf der Bühne und am HR-Stand, sagt Lilly Wittrock – und wer würde nicht gern mit Thomas Middelhoff plauschen? Der frühere Arcandor-Manager und wegen Untreue verurteilte Straftäter ist mit allen Höhen und Tiefen des Geschäfts vertraut und hat mehrere Bücher über sein bewegtes Leben verfasst.

Die Gründung sei eine Art „Hilfe zur Selbsthilfe” gewesen, sagt Wittrock, so etwas gab es in Hamburg nicht, sondern eben nur Stehtische, Bleistifte und Rollups – aber keine role models, keine Chefs. Ihr Team habe auf ein gutes Netzwerk zurückgreifen können. Klinkenputzen habe für die Gründer*innen trotzdem dazu gehört, räumt Wittrock ein. So probierten die ChefTreff-Gründer*innen es erst einmal im Kleinen und setzten auf Mund-zu-Mund-Propaganda. „MVP-Style”, sagt Wittrock, also als Minimum Viable Product (minimal überlebensfähiges Produkt). Am Ende waren dann 250 Leute im Hörsaal. Das von Tarek Müller gegründete Unternehmen AboutYou habe nach der ersten Veranstaltung 25 neue Bewerbungen erhalten. Damit war klar: Ihr Produkt ist überlebensfähig.

Inzwischen hat ChefTreff etliche Veranstaltungen auf dem jungen Buckel, etwa im Audimax, auf einer Festivalwiese und im CinemaxX Hamburg-Dammtor. Die Karrieremesse neuer Art spürt den Rückenwind einer neuen Art des Arbeitens – Stichwort „New Work”. „Die Leute wollen etwas mit Purpose machen”, sagt Wittrock, „es müssen nicht zwingend gesellschaftsunterstützende Unternehmen sein, aber sie wollen zeigen können, was sie schaffen.” Ihr Unternehmen finanziert sich über Sponsoring – insoweit durchaus wie eine klassische Jobmesse.

Dabei richtet sich ChefTreff nicht ausschließlich an Firmen mit Recruiting-Interesse, auch der öffentliche Dienst sei willkommen. Der habe nämlich „ein kleines Sexyness-Problem”, so Wittrock. „Wir versuchen es mit Talentstories, in denen Gleichaltrige von ihren Erlebnissen erzählen, etwa ein Experte aus dem Kraftfahrtbundesamt.” Für bestimmte Typen sei schließlich auch interessant, mit extrem geregelten Prozessen zu arbeiten und nicht alles selbst aufzubauen wie bei einem Start-up.

Als nächstes will ChefTreff einen Content Hub aufbauen, mit Hilfe unseres Content- und Tech-Inkubators MEDIA LIFT. Die Idee dazu gab es schon länger, aber „Corona hat uns dazu gebracht, alles noch einmal neu zu denken”. Auf der Medienplattform findet man alles, was die eigene Karriere einen Schritt weiterbringt, zum Beispiel Videos kleiner Impulsvorträge, Vorlagen für Bewerbungsunterlagen, Schritt-für-Schritt-Anleitungen, wie man den CV aufhübscht oder etwa die fünf Regeln des Erfolgs aus der Feder des Investors Ralf Dümmel – „snackable content”, sagt Wittrock. In den nächsten zwei bis drei Monaten soll das Angebot nutzbar sein.

Junge Berufsanfänger*innen unterliegen oft systematischen Fehlvorstellungen davon, wie man selbst zum*zur Chef*in werden kann, weiß Wittrock. „Ich glaube, viele stellen sich den Aufstieg leichter vor, als er ist – stay hungry, stay humble ist wichtig.” Wittrock ist mit 18 Jahren nach Berlin gezogen, in die Start-up-Szene „gerutscht”, wie sie sagt, und hat schnell gemerkt, wie man in kürzester Zeit Dinge umsetzen kann.

Und offenbar bewahrt ChefTreff auch Schüler*innen vom einen oder anderen Fehltritt. Eine Mutter habe Wittrock berichtet, dass sich ihre Tochter nach einer Veranstaltung im CinemaxX entschieden hat, doch noch ihr Abi zu machen, damit sie studieren kann. „Da merkt man dann: Man hat einen Impact, man hat etwas geschaffen.” Mitgründer Kalinowski drückt es so aus: „Innerhalb kürzester Zeit haben wir es geschafft, mit ChefTreff eine Marke aufzubauen, die junge Menschen inspiriert, ermutigt und voranbringt.” Das sei schon „ein unheimlich erfüllendes Gefühl”. Die beiden Unternehmer*innen haben ihren eigenen Purpose anscheinend gefunden.

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