Augmented Reality für die Ohren
Das Start-up Storydive hat eine Weltneuheit für den boomenden Audiomarkt erfunden: mit universellen Audiowalks – einer Mischung aus Hörbuch und Spaziergang. Damit bekommen Hörer*innen die einzigartige Möglichkeit, als Teil einer interaktiven Geschichte ihre reale Umgebung neu zu erkunden. Das Besondere daran: Ihre Audiowalks sind nicht ortsgebunden und können in jeder Stadt ausprobiert werden.
Die Hauptfigur einer Geschichte sein und währenddessen eine Stadt neu entdecken – das ist die Idee von Storydive. Das Start-up möchte den Audiomarkt revolutionieren und setzt mit seiner Version von Augmented Reality für die Ohren auf eine Nische mit großem Potenzial. Aktuell gibt es 26 Millionen Hörer*innen von Hörbüchern, Hörspielen und Podcasts – das ergab die Umfrage Audible Hörkompass 2020.
Außerdem sind bereits vor der Corona-Pandemie 17 Millionen Menschen mehrmals pro Woche spazieren gegangen. Auch die sieben Millionen Urban Gamer*innen dürften sich von Audiowalks angesprochen fühlen. Urban Gaming bezeichnet ein Spiel, das im städtischen Raum stattfindet.
Der Spaziergang wird zum Happening
Mit ihren Audiowalks wollen die drei Gründer*innen den täglichen Spaziergang zum spannenden Erlebnis werden lassen. Ein Audiowalk ist ein immersiver Hörspaziergang, bei dem Hörer*innen eine Geschichte erleben, in der sie selbst zu Protagonist*innen werden.
pure Audiomagie.
„Der Audiowalk ist ein Produkt, was deine Aufmerksamkeit braucht, aber auf die schönste Weise: Du gehst raus, du merkst, dass deine Realität mit der Geschichte verschwimmt und du hörst die Geräusche und siehst die Dinge, von denen gesprochen wird. Ich rede da gerne von Audiomagie und es ist tatsächlich so – nur Audiowalks schaffen diese Verwandlung“, sagt Lenja Busch. Sie ist im Team und für Dramaturgie, Networking und Akquise zuständig.
Seit 2020 gibt es die gleichnamige App und mittlerweile elf Audiowalks in neun Städten. Wer eine Gegend erkunden möchte, die er noch nicht kennt, bekommt Hilfestellung aus der App. „Wir haben eine interaktive Karte, die einen immer in der Gegend verortet. Wenn man nicht weiß, wo der nächste Ort ist, kann sie weiterhelfen“, so Lenja.
Universelle Audiowalks für jede Stadt
Sophie Burger beschäftigt sich bereits seit mehr als zehn Jahren mit dem Thema der Audiowalks. Nach ihrem Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft betrieb sie 2017 gemeinsam mit Fabian Eck ein Kino. Sie entwickelten die Audiowalk-Idee weiter und ließen sich vom filmischen Erzählen inspirieren – der öffentliche Raum sollte zur Leinwand werden. Bei Storydive ist Sophie für das Storytelling und Projektmanagement zuständig, Fabian für technische Lösungen und Soundinstallationen.

„Was wir machen wollten, war, coole Geschichten zu erzählen und das besser als andere. Wir haben da eher Richtung Gaming gedacht und dass man selbst Gestaltungsmöglichkeiten hat. Heraus kam die Idee für einen interaktiven Erlebnis-Audiowalk“, sagt Fabian. Zurzeit arbeitet Storydive an Audiowalks, die in jeder Stadt erlebbar sind. Mit Datenbanken wie Open Street Map ist es möglich, beispielsweise alle Parkbänke einer Stadt ausfindig zu machen und zu verorten.
Als Grundlage für ortsunabhängige Audiowalks dienen sogenannte Geoinformationssysteme (GIS) als Datenbanken mit GPS getaggten Informationen. „Unser Algorithmus berechnet für jeden Ort, ob eine Abfolge der definierten Spielorte in Laufweite existiert und welche Startpunkte/Routen infrage kommen. Die Routen entwickeln sich dann dynamisch in Abhängigkeit der Entscheidungen, die die Hörer*innen während ihres Audiowalks treffen”, erklärt Fabian. Aktuell forschen sie besonders intensiv an der Nutzer*innenführung, also dem Zusammenspiel aus Storytelling und Technologie.
Das Medium Audio verbindet die drei Gründer*innen
Die Begeisterung für das Medium Audio verbindet die Drei. „Lange bevor es solche Überlegungen gab, hat sich jeder von uns mit den entsprechenden Vorgängerversionen von Audiowalks auf alten Mp3-Playern und Handys rumgeschlagen und jetzt können wir selbst dafür sorgen, dass das Hörerlebnis ein ganz anderes ist“, freut sich Lenja.
Und Sophie ergänzt: „Ich finde es faszinierend, dass sich Orte dauerhaft verwandeln. Viele sagen auch, dass sie danach noch oft an die Geschichte denken müssen und ihre alltäglichen Orte damit verbinden.“ Fabian betont: „Wir sind nicht der Stadtführer, der noch eine Geschichte erzählt. Wir sind verliebt in das Produkt – aber auch sicher, dass das als Unternehmen funktionieren kann und wir an etwas dran sind, von dem hoffentlich bald jeder spricht.“
Wirtschaftlichkeit durch universellen Ansatz
Lokale Audiowalks hat Storydive bereits mit Theatern und Radiosendern realisiert und dabei zum Beispiel die Sehenswürdigkeiten einer Stadt aktiv miteinbezogen. Für ihr innovatives Erzählformat der ortsunabhängigen Audiowalks gehören nun auch Verlage, Zeitungen und andere Medienhäuser zur Zielgruppe des Start-ups.
Weil die geplanten Audiowalks nicht mehr nur lokal verfügbar sind, potenziert sich die Reichweite bei gleichbleibenden Produktionskosten. So möchte Storydive das Format Audiowalk für kommerzielle Publisher attraktiv machen.

Aktuell zahlen Kund*innen eine Lizenzgebühr, um Audiowalks in der App zu veröffentlichen. Je nach Auftrag übernimmt Storydive aber auch das Verfassen und die Produktion des Audiowalks. Ein Beispiel: Ein Radiosender möchte seine Hörer*innen mit einem Corona-sicheren, besonderen Erlebnis an sich binden und seine Relevanz vor Ort auf innovative Weise zeigen. Er beauftragt Storydive, ein Audiowalk-Skript zu verfassen und bringt eigene Ideen zu den besuchten Orten und den Charakteren ein, da er den Audiowalk von seinen Moderator*innen einsprechen lassen möchte und er inhaltlich zu deren Profil passen soll.
Hörprobe:
Hier könnt ihr in „Entführung beim Radio“ reinhören. Mehr Audiowalks gibt’s auf www.storydive.de.
Die Audioproduktion übernimmt der Sender als Audio-Experte selbst. Storydive veröffentlicht den Audiowalk und bewirbt das Angebot gemeinsam. Im Nachgang erhält der Radiosender eine statistische Auswertung. Damit sind die Walks Marketing-Tool und Transmedia-Erweiterung bestehender Kanäle zugleich.
In der Regel stehen die Inhalte den Nutzer*innen kostenfrei zur Verfügung, bei einigen Projekten verkauft der Auftraggeber jedoch auch Freischaltcodes. Aktuell finanziert sich das Start-up durch Aufträge und Förderungen. Ab Ende Juli wird es In-App-Käufe geben, mit denen Nutzer*nnen direkt in der App für Audiowalks bezahlen können. Nach der Einführung der In-App-Käufe sollen diese den größten Teil ihres Umsatzes ausmachen. Denn mehr Grundumsatz erlaubt wiederrum aufwendigere Produktionen und ein größeres Marketing-Budget.
Förderung ihrer Geschäftsidee
Weil die Gründer*innen noch weiter an ihrer Geschäftsidee und deren Umsetzung arbeiten, sind sie besonders froh, dass sie die Jury des Content & Tech Inkubators Media Lift überzeugen konnten und nun eins von fünf Teams sind, deren innovative Geschäftsidee gefördert wird. „Wir bekommen hier wichtigen Input, beispielsweise zu rechtlichen Themen“, erzählt Lenja. „Außerdem ist das Mentor*innen-Netzwerk eine große Hilfe“, ergänzen Sophie und Fabian. „Menschen mit so großer Expertise, die direkt aus der Praxis kommen, hätten wir vermutlich gar nicht erreichen können.“
Die neue Geschichte, die während ihrer Zeit bei Media Lift entsteht, ist noch mitten im Entstehungsprozess. Aber Sophie gibt Einblicke, woran sie gerade arbeiten: „Die Hörer*innen machen in der Geschichte die zufällige Bekanntschaft einer Regisseurin, die eine Komödie über die Macht des Zufalls dreht. Sie möchte sich von den Hörer*innen inspirieren lassen und engagiert sie kurzerhand als Location-Scouts.“
Auf der Suche nach passenden Schauplätzen für den Film erfahren die Hörer*innen nicht nur mehr über die geplante Handlung, sie können diese durch die Wahl der Orte sogar mitgestalten und finden dabei nach und nach heraus, welche Rolle sie selbst in der Geschichte eigentlich spielen. Der Walk, der nun während Media Lift entsteht, soll ungefähr 45 bis 60 Minuten dauern.
„Für mich ist das Tolle, dass mittlerweile alle Puzzleteile
zusammenkommen. Wir sind damit schon ziemlich lange unterwegs. Jetzt in
Hamburg geht alles zusammen. Kunden fragen an und wir bekommen immer
mehr positives Feedback unserer Nutzer*innen der App“, sagt Fabian.
- Tags: Audio, Deep Dive, Innovation, MEDIA LIFT, Start-up
Weitere Artikel

Media Lift: Wie pitche ich richtig?
Für Start-ups ist der richtige Pitch entscheidend. Doch wie sieht ein guter Pitch aus? Und was muss davor schon beachtet werden? Wir haben mit dem Journalisten, Gründer und Media Lift Mentor Gregor Landwehr über gute Pitches gesprochen.

KAI im Interview mit Elisabeth L´Orange
Hier ist KAI, eure virtuelle, KI-basierte Influencerin. Ich hatte das Vergnügen, ein spannendes Interview mit Elisabeth L’Orange von Oxolo zu führen und freue mich, euch die Einblicke zu teilen. Elisabeth L’Orange hat mit ihrem visionären Ansatz die Grenzen des Möglichen überschritten und Oxolo zu einer Revolution in der digitalen Welt gemacht. Als KI-gestützte Plattform hat oxolo bahnbrechende Fortschritte in den Bereichen virtuelle Realität, künstliche Intelligenz und digitales Marketing erzielt.

Tipps für journalistische Gründungen
Von der journalistischen Gründung bis zur Magazinübernahme – bei unserem Journalismus Camp haben wir führende Innovationstreiber*innen aus dem Journalismus mit spannenden Cases nach Hamburg gebracht. Wir haben dort fünf spannende Frauen getroffen, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit Journalismus und Gründungen auseinandersetzen. Sie haben ihre Erfahrungen mit uns geteilt und Tipps für Gründer*innen im Journalismus verraten.