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Predictions 20/20: Das sind die New TV-Trends für 2020

| | Bewegtbild

Unser Format „Predictions 20/20“ trägt die 20 relevantesten Trends der Medien- und Digitalszene für 2020 zusammen. Wie werden zukünftig Geschichten erzählt? Wie entwickelt sich die Bewegtbild-Branche? Welche technologiegetriebenen Innovationen werden im kommenden Jahr wichtig und welche Business Model Innovations stehen uns im Bereich der Medienökonomie bevor? Antworten auf diese Fragen geben unsere Expert*innen aus dem nextMedia.Hamburg-Netzwerk. In diesem Teil widmen wir uns der Zukunft des New TV-Sektors.

Ob in Form von Streams, via Social Media oder über Video-on-Demand-Anbieter: Bewegtbild ist längst mehr als das klassische lineare Fernsehen und gefragt wie nie – sowohl bei Konsument*innen als auch bei den Content-Anbietern und Produzent*innen. Eine Entwicklung, die vor allem auf neue technologische Möglichkeiten und ein verändertes Nutzer*innenverhalten zurückzuführen ist, das den Bewegtbild-Markt zuletzt ordentlich in Bewegung gebracht hat. So sind Video-Angebote in den letzten Jahren vor allem vielfältiger und individueller geworden und haben sich den Bedürfnissen der User*innen angepasst. Nach Einschätzungen unserer 20/20-Expert*innen wird sich dieser Trend auch im nächsten Jahr weiter fortsetzen und verfestigen.

Diese Entwicklung macht sich unter anderem im Gaming-Bereich bemerkbar, der in den letzten Jahren dank Live-Let‘s-Plays auf Streaming-Plattformen wie Twitch und YouTube Live einen regelrechten Boom verzeichnen konnte, dessen Ende noch nicht abzusehen ist. Allein Twitch hatte im Jahr 2018 durchschnittlich 150 Millionen aktive Zuschauer*innen sowie knapp zwei Millionen aktive Streamer*innen pro Monat und profitierte dabei auch von Übertragungen traditioneller Sport-Veranstaltungen und von Kooperationen mit bekannten Profi-Sportler*innen. Burkhard Leimbrock, Geschäftsführer von Twitch Deutschland, geht in seiner Prognose für 2020 davon aus, dass diese Angebotsvielfalt weiter ansteigen und die Interaktion zwischen Community und Creator*innen einen noch höheren Stellenwert bekommen dürfte: „In 2020 werden wir noch mehr Live-Streams sehen, in denen Creator*innen etwas gemeinsam mit ihrer Community erleben: Ich denke da an Live-Events, die gemeinsam verfolgt werden und über die man sich gleichzeitig im Chat unterhält. Oder ans gemeinsame Singen, Musizieren, Basteln und Kochen.“ 

Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch auf dem Video-on-Demand-Markt beobachten. Der Erfolg des interaktiven Films „Black Mirror: Bandersnatch“ Ende letzten Jahres ermutigte Netflix dazu, sich bei der Produktion von Inhalten vermehrt auf interaktives Storytelling zu konzentrieren. Und auch andere Medienunternehmen folgten dem Beispiel des US-amerikanischen VoD-Riesen: YouTube kündigte im April an, dass es ein interaktives Storytelling-Programm entwickelt, NBC Universal veröffentlichte eine App namens „Series: Your Story Universe“, die einige der beliebtesten Film- und TV-Projekte mit interaktivem Storytelling kombiniert, und Walmart investierte 250 Millionen Dollar in ein Joint Venture mit Eko, um interaktive Inhalte zu produzieren. Dieser Trend scheint mittlerweile auch in Deutschland angekommen zu sein, wie Britta Schewe, Chief Sales & Marketing Officer bei Rocket Beans Entertainment, betont. Es müsse verstanden und adaptiert werden, dass Community-Nähe ein wesentlicher Faktor im Bewegtbild-Bereich geworden sei. Darüber hinaus zeichne sich eine stärker werdende Fokussierung auf gemeinsam erlebbare Live-Events ab, die einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerb für das klassische Fernsehen darstelle. Schewe weiter: „Zukunftsweisend wird sein, wie man diese Entwicklung in funktionierende Geschäftsmodelle im Sinne des Jugendschutzes und des neuen Medienvertrags überträgt.“

Doch was hat die plötzliche Investition in interaktive Filme und Serien ausgelöst? Hier ist vor allem der Technologiefortschritt zu nennen. Bis vor kurzem war die Postproduktion mehrerer Handlungsstränge äußerst schwierig, es gab keine Drehbuchsoftware zur Verzweigung von Erzählungen. Auch verfügten Fernseher und Kinos nicht über die notwendige Benutzeroberfläche für die Eingabe in Echtzeit. Erst mit der Backend-Softwareentwicklung, Streaming-Plattformen und Smartphones bekamen die Content-Produzent*innen überhaupt die Möglichkeit, interaktive Elemente einzubauen und auszuspielen. Kein Wunder, dass Experten wie Steven Rosenbaum, Managing Director beim NYC Media Lab, große Hoffnungen in die neue Erzähltechnik setzen und davon überzeugt sind, dass 2020 aufgrund des Wachstums partizipativer Geschichten ein bahnbrechendes Jahr für den Bewegtbild-Markt werden könnte: „Die SVoD-Plattformen experimentieren mit personalisierbaren Inhalten: Nutzer*innen bekommen Werkzeuge zur Verfügung gestellt, mit denen sie die Art und Weise, wie sie Geschichten konsumieren, anpassen können.“ Der Komiker Seth Meyers arbeite beispielsweise schon mit Netflix zusammen, um eine Schaltfläche einzuführen, mit der Trump-Witze übersprungen werden können. Voraussetzung dieser Entwicklung ist für Rosenbaum, dass früher passive Content-Konsument*innen heute zunehmend aktiv werden, Inhalte teilen, kommentieren und zusammenmischen. Das mache ihre Stimme hörbar und ihre Meinungen bekannt. „Dieser Trend dürfte sich in Zukunft noch weiter verstärken“, so der US-Amerikaner.

Ob interaktiv oder nicht, den Produzent*innen dieser VoD-Inhalte steht in jedem Fall eine erfolgreiche Zukunft bevor, prognostiziert Ralf Klassen, Chefredakteur von CONE – The Content Network. So sei im kommenden Jahr eine weitere, deutliche Steigerung der Nutzer*innenzahlen von Streaming-Angeboten zu erwarten, was den Konkurrenzdruck untereinander nochmals massiv erhöhen dürfte: „Mit dem Start von Disney+ und Apple TV+ wird sich der Kampf um Zuschauer*innen unter den Streaming-Anbietern deutlich verschärfen. Schon jetzt hat in den USA ein Hauen, Stechen und Wettbieten um lukrative Film- und Serienrechte begonnen, was die Preise für gute Stoffe in unvorstellbare Höhen treiben wird.“ Wer aus diesem Kampf als Sieger hervorgehen wird, sei aus seiner Sicht allerdings schwer abzuschätzen. Oliver Koch, Gründer und Geschäftsführer von TeraVolt, glaubt dagegen, dass gerade das Zusammenspiel von großen Content-Produzenten wie Disney, Netflix oder Warner mit Access-Anbietern wie etwa der Telekom oder Vodafone und den Plattform- und den Technologie-Riesen Google, Apple, Facebook und Amazon entscheidend werden dürfte. „Die Kund*innen werden vom SVoD-Angebot zunehmend überwältigt: Erstens werden aktuell derart viele Serien produziert, dass es kaum noch möglich ist, sie alle zu konsumieren. Zweitens müssen sie auf Zugangsseite sämtliche Credentials und Navigationsparadigmen steuern. Und drittens stellt sich ihnen auch immer mehr die Frage nach dem Budget. Egal ob Amazon oder Netflix, Sky oder DAZN – alle OTT-Services haben ihren Preis und die Kosten summieren sich für die Nutzer*innen“, so Koch. Daher erwarte er vielmehr „Re-Aggregation“-Angebote im Sinne der Konsument*innen.

Neben der Zukunft von Streaming-Angeboten und -Inhalten wird auch das Format dieser Inhalte zunehmend hinterfragt. Denn Formate, im Sinne von Bildmaßen, sind längst nicht mehr so statisch wie im klassischen TV mit 16:9, sondern variieren je nach Abspielgerät, Platzierung und dem Verhalten der Nutzer*innen. Aktuell finden Videos mit flexiblen Bildmaßen vor allem auf den großen Social-Media-Plattformen statt, was zu einem neuen Mediumhybrid aus Video, Bild, Text, Grafiken, Audio und dynamischen Elementen mit Interaktionsmöglichkeiten zwischen Sender und Empfänger*innen geführt habe, so Kim Dormann, Gründer von Redpinata. Er ist von der Zukunft von Vertical Videos überzeugt: „Das vertikale Video wird in erster Linie mobil erzählt und in der Handfläche abgespielt – immer den Daumen bereit für einen Programmwechsel via Swipe. Es ist dadurch aktuell eines der spannendsten und dynamischsten Videoformate. Klar ist: Vertical Video ist gekommen, um zu bleiben.“ In Anbetracht der Verbreitung von Smartphones als meistbenutztes Zugangsgerät zum Internet und als Video-Abspielgerät unserer heutigen Zeit verspricht sich Dormann noch spannende Erfahrungen und Technologien aus dieser Richtung. Gleichzeitig betont er, dass vertikale Videos nicht nur mobil Anwendung finden, sondern auch am Point of Sale oder Out-of-Home – immer da, wo sie in der Anwendung besser funktionieren können als „herkömmliche“ Formate.

Insgesamt zeigen die Aussagen unser Expert*innen: Das Jahr 2020 könnte einen wahren Paradigmenwechsel für die Bewegtbild-Industrie darstellen. Dynamische, interaktive und persönliche Inhalte haben beste Voraussetzungen, den Beginn des neuen Bewegtbild-Jahrzehnts nachhaltig zu dominieren. Über all diese spannenden Entwicklungen werden wir natürlich auch auf unserem newTV Kongress am 26.3.2020 mit hochrangigen Branchenvertreter*innen diskutieren. Hier gibt es noch bis zum 31. Dezember vergünstigte Pre-Agenda-Tickets.

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