Predictions 20/21: Enabling Technologies

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Die Pandemie als Treiber für Sprunginnovationen

Schlüsseltechnologien und die Notwendigkeit der digitalen Transformation haben in diesem Jahr ihre Relevanz für die globale Wirtschaft und unser gesellschaftliches Miteinander unter Beweis gestellt. Ohne Videokonferenz-Tools, Livestreaming oder Cloud Services wäre remotes Arbeiten von zuhause oder sozialer Austausch kaum möglich gewesen. Doch nicht alle Bereiche profitieren gleichermaßen vom Digitalisierungsboom: Wo können wir in 2021 bahnbrechende Durchbrüche erwarten und wo ist eher Skepsis angebracht? Gemeinsam mit unseren Expert*innen werfen wir einen Blick auf die Zukunft der Tech-Welt.

Das Pandemiejahr 2020 hätte vor allem für Virtual Reality den Durchbruch im Massenmarkt bedeuten können, da persönliche Treffen in der physischen Welt großteils nicht stattfinden konnten. Doch statt Events in virtuelle Realitäten zu verlagern, sind sie ausgefallen oder fanden als Videostreams mit beschränkten Interaktionsmöglichkeiten statt. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die weiterhin geringe Verbreitung von VR-Headsets: Laut Analysen der Tech-Beratungsfirma OMDIA sind bis März 2020 weltweit nur 26 Millionen Geräte verkauft worden. Jedoch gehen die Expert*innen von IDC davon aus, dass der VR-Hardware-Markt 2021 mit bis zu 46% wachsen wird.

Dabei spielen neben der Pandemie als Treiber auch technologische Verbesserungen eine Rolle, denn die neuen Gerätegenerationen bieten mehr Komfort, Performance und Immersivität. Gerade letztere stellt den entscheidenden Vorteil von Virtual Reality dar. Wir betreten eine andere Welt, in der wir uns frei bewegen und interagieren können. Das schafft Nähe und Erlebnis – im Gegensatz zu Videocalls, in denen u.a. der 2D-Screen ein Gefühl von Distanz erzeugt. Gerade in Zeiten von Social Distancing bietet VR hier ein großes Potenzial, zum Beispiel mit Spatial VR, das virtuelle Büros erschafft, der kostenfreien Event-Plattform AltspaceVR oder Big Screen – einer App, in der man virtuellen mit Freund*innen abhängen und gemeinsam Filme schauen kann (vgl. Makrotrend Virtual Collaboration). Ein Millionenpublikum in virtuelle Welten könnte bald Facebook locken: Die Social VR-App Horizon des weltweit größten Sozialen Netzwerks soll noch in diesem Jahr als Beta-Version an den Start gehen. 

Solange der interaktive Konsumentenmarkt noch ein Nischenphänomen ist, gibt es jedoch im B2B-Bereich schon vielfältige Anwendungsgebiete, u.a. in der Filmproduktion. Erfolgsserien wie „The Mandalorian“ und „Westworld” setzen vermehrt auf kostengünstige und kreativ vielseitig einsetzbare Virtual Productions in LED-Studios. „Wir glauben, dass die Technologie aufgrund ihrer Flexibilität die unmittelbare Zukunft der Film- und Werbeindustrie darstellt.”, hält Fabio Buccheri fest, Gründer der Hamburger XR-Beratungsfirma BizzLogic.

Auch Augmented Reality blieb 2020 hinter den Wachstumsprognosen zurück. Allerdings zeigt sich vor allem in der jüngeren Generation großes Potenzial. Laut der jüngsten Extended Reality-Studie von Deloitte liegt der Anteil der Konsument*innen, die AR-Anwendungen auf ihrem Smartphone nutzen würden, bei 70 Prozent. Neben Video Games ist Shopping ein beliebtes Einsatzgebiet für AR. Chancen sieht Götz Trillhaas, Deutschland-Chef von Snap Inc., hier vor allem für die Interaktion mit Marken: „In 2021 wird Augmented Reality weiterhin neu definieren, wie Menschen ihre Umwelt und damit natürlich auch Marken entdecken und mit ihnen interagieren. Ein Beispiel dafür ist das Nachempfinden persönlicher Einkaufserlebnisse für Verbraucher mittels AR: Mit einer Try-On Lens lassen sich Kosmetika oder Kleidung ganz nach individuellem Geschmack ausprobieren und kaufen.”  Ein Beispiel ist der Kosmetikkonzern L’Oréal, der aufgrund von Maskenpflicht und Home Office in diesem Jahr spürbare Umsatzeinbrüche erlebt und darauf u.a. mit einer digitalen Make-up-Linie in Form von AR-Filtern reagiert. 10 Filter gibt es bislang, die über Plattformen wie Snapchat oder Instagram ausprobiert und anschließend in Video-Meetings verwendet werden können. 

Eine wesentliche Voraussetzung für die Nutzung von XR bildet der neue Mobilfunkstandard 5G, der eine Datenübertragung in Echtzeit möglich macht. Im nächsten Jahr sollen die Investitionen zum Ausbau des 5G-Netzes laut der Tech-Beratung Simform weltweit auf 2,3 Milliarden US-Dollar steigen und wären damit 38-Mal so hoch wie noch 2019. In Deutschland treiben vor allem zwei Unternehmen die Entwicklung voran: Während die Deutsche Telekom bis Ende dieses Jahres zwei Drittel der deutschen Bevölkerung an den Standard anschließen möchte, erhöhte Vodafone kürzlich das Ziel, bis Ende 2021 30 Millionen (statt 20) Menschen in Deutschland damit zu versorgen.  Mit dem exponentiellen Wachstum an Daten, die in Zukunft ausgetauscht werden, muss sich auch ihre Verarbeitungsgeschwindigkeit anpassen. Das Stichwort hier lautet Edge Computing, bei dem Daten nicht über Zentralserver, sondern an den Netzwerkrändern verarbeitet werden. Mit diesen Investitionen in die Infrastruktur werden die Weichen vor allem für das autonome Fahren und IoT-Anwendungen gestellt, die auch der Medienbranche unerkannte Innovationspotenziale eröffnen können.

Automatisierungspush durch TTS und Creative AI

Bereits vor Corona war der Online-Audiomarkt schon im Aufwind. Im Jahr 2020 hat er nochmal zugelegt und liegt laut Online Audio Monitor bei einem Anteil von 70,8% Nutzer*innen (Bevölkerung in Deutschland ab 14 Jahre). Um die steigende Nachfrage nach Audio-Inhalten zu beantworten, kommen immer häufiger TTS-Technologien und synthetische Stimmen zum Einsatz. Andrey Esaulov, Gründer und CEO von BotTalk, eines unserer MEDIA LIFT Start-ups, beurteilt den Markt so: „Im aktuellen Jahr wurde Googles TTS Technologie „Wavenet“ durch zwei große Updates weitreichend verbessert, sodass sich die synthetische Voice in manchen Sätzen nicht mehr von einer humanen unterscheiden lässt. Ich sehen den Trend 2021 ganz klar: die Funktion „Diesen Artikel vorlesen lassen“ werden wir bald in allen Webinhalten sehen – weil die Nutzer diese erwarten.” In Zusammenarbeit mit BotTalk hat das norddeutsche Medienhaus sh:z kürzlich das neue Format Audio Snack gelauncht: ein News-Update, das von einer Computerstimme unter dem Einsatz von TTS-Technologie gesprochen wird. 

Die Basis dieser Automatisierung bildet in der Regel eine KI, allerdings ist Audio nicht der einzige Content-Bereich, der von dem Automatisierungsschub erfasst wird. Aus diesem Grund stand unser letztes Prototyping Lab, in dem Hamburger Studierende Lösungen für aktuelle Tech-Challenges der Medienbranche entwickeln, unter einem KI-Schwerpunkt. Für den Radiosender N-JOY wurde der Prototyp einer Music Prediction Machine gebaut, die die Redakteur*innen bei der Auswahl neuer Musik unterstützt. Mit vorhandenen Inhalten, nämlich großen Videoarchiven, beschäftigt sich dagegen das dieses Jahr gegründete englische Start-up EnVsion. Mithilfe ihrer KI sollen automatisiert die passenden Videosnippets für einen Artikel gefunden und im Bedarfsfall sogar neu zusammengestellt werden. Redakteure sollen so bei aufwändigen Such- und Editieraufgaben entlastet werden, um mehr Zeit für die Recherche und Kreation der Inhalte zu haben.      

Doch auch auf dem Gebiet der Kreation erzielen Künstliche Intelligenzen inzwischen ebenfalls beachtliche Ergebnisse (siehe Grafik). Ein Beispiel ist GPT-3, ein AI-Sprachmodell, das auf Deep Learning-Ansätzen basiert. Der britische Guardian hat im Herbst dieses Jahres ein von GPT-3 verfasstes Essay veröffentlicht, das auf einem Briefing aus drei Sätzen basierte und sich in seiner ursprünglichen Form qualitativ nicht von einem von Menschenhand verfassten Essay unterschied. „There will be increased focus on dealing with the ethical considerations of AI and developing easy to use creative tools that are accessible to all.”, prognostiziert unsere Creative AI-Expertin Luba Elliott die weitreichenden Folgen, die diese Entwicklung mit sich bringt. Gerade in dieser ethischen Diskussion liegt auch eine Chance für mehr Gerechtigkeit, Vielfalt und Individualität. 

Wird 2021 im Rückblick den Beginn eines Metaverse markieren, in dem wir vor der Pandemie in virtuelle Welten als neue Realität flüchten und in der wir ganz selbstverständlich mit künstlichen Intelligenzen wie der digitalen Influencerin Lil Miquela interagieren? Noch hemmen Hardware und Infrastruktur eine solche Zukunftsvision. Das gibt uns Zeit, uns mit den gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Technologien auseinanderzusetzen – am besten bei einem virtuellen Meet-up in Minecraft. 

Alle 20 Predictions für 2021 findet ihr hier in der Übersicht.
Die Macro-Trends Virtual Collaboration und Creative AI sind eine Vorschau auf das neue Trenduniversum unseres Partners TRENDONE, das 2021 erscheint. Für einen Testzugang zu den aktuellen Macro- und Micro-Trends von TRENDONE, klickt hier.
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