Mit künstlicher Such-Intelligenz: Revolutioniert dieses Start-up die Musikwirtschaft?
Amazon spürte als junger Buchhändler dem Geschmack der Kunden mit einer Redaktion nach, heute helfen Algorithmen und Datenanalysen bei der Produktsuche. Google wurde so erfolgreich, weil es besser als die Konkurrenz Suchanfragen und Suchergebnisse sinnvoll vermählte (samt eingeblendeter Werbung). Und das Matching geht weiter, wie nun ein Start-up aus Hamburg zeigt: musicube sucht und findet immer die richtige Musik – für jeden Geschmack und für jede Situation. Seine Technologie, die auf künstlicher Intelligenz basiert, hat das Potenzial, die Art, wie wir Musik hören, für immer zu verändern und die gesamte Branche zu revolutionieren, die ohnehin immer digitaler und vernetzter wird.
Denn der Musikmarkt ist gewaltig – und er ist inzwischen auf Streaming angewiesen. Im vergangenen Jahr erreichte Deutschland die schwindelerregende Zahl von über 100 Milliarden Streams. Den Markt teilen sich weltweit wenige Giganten: Auf Spotify entfallen 35 Prozent der Abos, Apple folgt dicht mit 19 Prozent und Amazons Musiksparte liegt bei 15 Prozent, so ein Bericht des Marktforschungsunternehmens Counterpoint. Der Bundesverband der Musikindustrie sieht in seinem digitalen Standbein inzwischen sogar eine „Lebensversicherung“, sagte Vorstand Florian Drücke in der F.A.Z..
Die musicube-Gründer*innen sind selbst begeisterte Fans von den Musik-Streamingdiensten. David Hoga und Agnes Chung haben beide Musikwissenschaft und Informatik studiert. Ihre eigene Suche soll aber mehr als das bieten, was Spotify, Google und manche Spezialisten bislang können. „Kuratierte Playlists sind zwar oft großartig”, sagt Hoga, „aber wenn wir Lust auf etwas echt Spezielles hatten, ohne konkrete Künstler zu kennen, gab es schlicht keine Eingabemöglichkeit dafür. Nachdem wir zehn Jahre mit Musik-Metadaten gearbeitet haben, war uns klar: Wenn jetzt keiner eine neuartige Musiksuche baut, dann machen wir das.“
Mithilfe künstlicher Intelligenz durchpflügt das Unternehmen mehr als 43 Millionen Musikaufnahmen und analysiert, was wann funktioniert hat (oder eben nicht). Drei Millionen Datensätze sortieren Songs in aggressiv, langsam, minimalistisch oder bombastisch ein. Auf der musicube-Website kann man schon jetzt zum Beispiel gezielt nach „energetic“ Pop von der oder von dem eigene*n Lieblingskünstler*in suchen, nach ruhigen Musical-Songs auf Französisch oder – Hogas Lieblingsbeispiel – nach japanischem Metal aus den 90ern. Denn musicube will auch nischige Künstler*innen auffindbar machen.

Zwar gibt es bereits große Datenfirmen, mit denen man nach Musik suchen kann – aber musicube geht noch einen Schritt weiter, wirbt Hoga: „Jedes Unternehmen kann uns Musik-Fragen schicken und bekommt in Echtzeit mundgerechte Antworten.“ Egal ob die Frage lautet „Wer ist gerade der oder die angesagteste Dance Newcomer*in aus Berlin?“, „Welche Lieder waren in Radioheads letztem Liveset?“ oder gar „Welcher Song passt am besten zu meiner Brand?“.
Dabei wollen die Gründer*innen von musicube mit ihrem Unternehmen nicht die Musikredakteur*innen arbeitslos machen, beteuert der 1988 geborene Hoga. „Wir können ihnen zwar eine Menge Hilfestellungen geben: Wer war von wem beeinflusst? Was klingt weshalb wie? Wo hat der Bassist denn vorher gespielt? Aber die Zusammenhänge und nicht zuletzt die gnadenlose Subjektivität, die guter Musikjournalismus mit sich bringt, haben ihre Daseinsberechtigung.“ Keine KI könne sein 15-jähriges Ich so sehr begeistern wie der Leitartikel zur Rockband „The Mars Volta“ in der Musikzeitschrift Visions aus dem Jahr 2003.
„Die Teilnahme am Inkubator MEDIA LIFT von nextMedia.Hamburg war der größte Glücksfall in unserer bisherigen Firmengeschichte“, lobt der Gründer – auch wenn es „abgedroschen klinge“. Er habe völlig unterschätzt, wie viele und gute Workshops er und seine Mitstreiter*innen dort von professionellen Coaches zu den unterschiedlichsten Themen und Nöten eines jeden Start-ups erhalten. „Für uns war es auch sehr spannend, so viele Intros bei potenziellen Partnern zu bekommen.“
Nach intensiver Investorensuche konzentriert sich musicube jetzt auf Kundengewinnung und Teamaufbau. Eine der größten Herausforderungen sei, ein doch eher abstraktes Produkt sichtbar zu machen, erklärt Hoga. „Daher versuchen wir momentan mit Leuten, die mehr von UX verstehen als wir, eine Suchapplikation zu bauen, die nicht nur Unternehmen hilft, sondern auch Hörer*innen echt Spaß macht.“
Wie bei allen Anwendungsfällen künstlicher Intelligenz sind auch für das Musikhören nur schwer Grenzen absehbar. Die Spotify-Nutzer*innen produzieren nach Angaben des Spotify-Daten-Ingenieurs Wouter de Bie derzeit 600 Gigabyte – jeden Tag. Und vieles mehr scheint möglich: Manche Unternehmer*innen denken etwa darüber nach, das Streaming mit Hilfe von Wearables an Herzrate, Atemfrequenz oder sogar neurologische Kennzahlen anzupassen. Die Industrie steht hier noch ganz am Anfang.
- Tags: Deep Dive, MEDIA LIFT, Technologie
Weitere Artikel

Media Lift: Wie pitche ich richtig?
Von der journalistischen Gründung bis zur Magazinübernahme – bei unserem Journalismus Camp haben wir führende Innovationstreiber*innen aus dem Journalismus mit spannenden Cases nach Hamburg gebracht. Wir haben dort fünf spannende Frauen getroffen, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit Journalismus und Gründungen auseinandersetzen. Sie haben ihre Erfahrungen mit uns geteilt und Tipps für Gründer*innen im Journalismus verraten.

KAI im Interview mit Elisabeth L´Orange
Hier ist KAI, eure virtuelle, KI-basierte Influencerin. Ich hatte das Vergnügen, ein spannendes Interview mit Elisabeth L’Orange von Oxolo zu führen und freue mich, euch die Einblicke zu teilen. Elisabeth L’Orange hat mit ihrem visionären Ansatz die Grenzen des Möglichen überschritten und Oxolo zu einer Revolution in der digitalen Welt gemacht. Als KI-gestützte Plattform hat oxolo bahnbrechende Fortschritte in den Bereichen virtuelle Realität, künstliche Intelligenz und digitales Marketing erzielt.

Virtuelle Influencerin KAI erklärt und diskutiert zukünftig KI-Themen
KI-generierter Content hat das vergangene Jahr maßgeblich geprägt. Ob Dall-E oder ChatGPT – immer mehr Dienste ermöglichen es Nutzer*innen, in Sekundenschnelle Content zu produzieren. Wie das die stetig wachsende Creator Economy beeinflusst und wie diese neuen Technologien die Zukunft des Online-Shoppings verändern können, illustriert ein neues Whitepaper der Standortinitiative nextMedia.Hamburg.

Tipps für journalistische Gründungen
Von der journalistischen Gründung bis zur Magazinübernahme – bei unserem Journalismus Camp haben wir führende Innovationstreiber*innen aus dem Journalismus mit spannenden Cases nach Hamburg gebracht. Wir haben dort fünf spannende Frauen getroffen, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit Journalismus und Gründungen auseinandersetzen. Sie haben ihre Erfahrungen mit uns geteilt und Tipps für Gründer*innen im Journalismus verraten.

Metaverse – Wie geht es nach dem Hype weiter?
Beim diesjährigen OMR-Festival und einigen weiteren Veranstaltungen haben wir uns schon mit dem Thema Metaverse beschäftigt. Aber was ist eigentlich der aktuelle Status des Metaverse? Welche Player sind beteiligt? – Andreas Günter, Senior Consultant Mobile Strategy & Products bei Ströer Media und Leiter des BVDW Metaverse Technology Lab, hat uns in einem Interview einen Überblick zum Status quo gegeben.

9 Ideen für Produktmanager*innen
In der letzten Ausgabe des Innovator Circles, unserem Weiterbildungsprogramm für die Content-Branche, haben wir uns unter dem Motto „Rethink your Product“ mit dem Produktmanagement auseinandergesetzt. Wir haben Product Leaders und Product People zusammengebracht, um gemeinsam Lösungen für ihre Herausforderungen zu finden. Neun Speaker*innen haben spannende Insights zu ihren Erfahrungen geteilt und als Sparringspartner*innen Feedback zu den Challenges der Teilnehmer*innen gegeben. Die wichtigsten Tipps der neun Speaker*innen haben wir hier für euch festgehalten.