Nimmt am 28. Februar an unserem Panel auf der Social Media Week Hamburg teil: Johannes Klingebiel.

Johannes Klingebiel (SZ) zu Gast bei der Social Media Week Hamburg

Wie beeinflusst KI Arbeitsprozesse in Redaktionen, Studios und im Produktmanagement? Welche Tools werden heute schon verwendet? Und was kann man von ihnen lernen? Über die Antworten auf diese Fragen und zu echten Anwendungsfällen möchten wir am 28. März auf unserem SMWHH-Panel diskutieren. Einen der Teilnehmer, Johannes Klingebiel, Innovationsmanager bei der Süddeutschen Zeitung, haben wir schon vorab zum Gespräch gebeten und uns mit ihm über Veränderungen in der Content-Branche unterhalten.

Am 28. Februar nimmst du im Rahmen der Social Media Week Hamburg an unserem Panel teil. Das Thema:  Wie arbeitet die Content-Branche heutzutage mit Künstlicher Intelligenz. Ohne zu viel vorwegzunehmen: Welche Rolle spielt KI bei deiner täglichen Arbeit im Innovationsteam der SZ?

In meiner alltäglichen Arbeit spielt Künstliche Intelligenz noch keine große Rolle, wenn man von Spotify-Playlists oder dem ein oder anderen vortranskribierten Interview absieht. Ansonsten ist KI aber natürlich bei uns im Team und im Unternehmen ein sehr aktuelles Gesprächs- und Diskussionsthema. Wir beschäftigen uns sehr aktiv mit der Thematik.

Streaming-Unternehmen wie Netflix oder Spotify nutzen gesammelte Nutzerdaten inzwischen nicht nur, um Empfehlungen für ihre Inhalte anzubieten, sondern die Informationen der Nutzer schon bei der Produktion von exklusivem Content miteinzubeziehen. Steckt hinter der Personalisierung nicht die Gefahr einer Mainstreamification, die unabhängige Content-Produzenten ins Abseits drängt?

Das glaube ich eher nicht. Im Gegenteil: Diese Analysen ermöglichen es, Nischen und Geschmäcker zielgerichteter zu erkennen und anzusprechen. Dadurch gibt es sehr viel tiefere als breitere Medienangebote. Wir sehen zum Beispiel weniger Filme und Serien, die versuchen den Durchschnitt zu erreichen, sondern konsumieren Inhalte, die sich ganz bewusst auf Fangemeinden und Genre-Interessenten stützen, da sie wissen, dass sie ein Publikum erreichen können. Das gibt den großen Anbietern wie Spotify und Netflix durchaus einen Wettbewerbsvorteil, gleichzeitig gibt es aber keinen Grund, warum nicht auch kleine unabhängige Publisher den gleichen Effekt für sich nutzen.

Tatsächlich sehen wir ja aufgrund von Podcasts, Newslettern und auch Finanzierungsmodellen wie Patreon eine kleine Explosion an Angeboten, die entweder von Einzelpersonen oder kleinen Teams betrieben werden. Diese sind nicht nur in der Lage, die eigenen Kosten zu decken, sondern sogar auch Gewinne zu erzielen. Es ist nur eben der ewige Kampf zwischen großen und kleinen im Web zerstreuten Angeboten.

Im öffentlichen Diskurs um Roboterjournalismus, ist die Angst, dass Redakteure oder Journalisten durch Computer ersetzt werden könnten, nach wie vor ein Thema. In Wirklichkeit übernehmen Künstliche Intelligenzen aber doch eigentlich nur die langweiligen Aufgaben von Journalisten – müsste KI also nicht der beste Freund des Redakteurs sein?

Absolut! Das ist meiner Meinung nach eines der größten Missverständnisse, wenn es um die Automatisierung von Arbeit geht. Was automatisiert wird, sind nicht ganze Jobs, sondern vielmehr einzelne Tätigkeiten. Das kann im zweiten Schritt auch zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen, aber dahinter steckt eine weitaus komplexere Dynamik.

Zurück zum Journalismus bedeutet es für mich, dass ich versuche, diese Angst zu nehmen und die Diskussion weg von Jobverlusten, Terminators und Roboterjournalisten zu lenken, hin zu Werkzeugen. Diese ganze Entwicklung ist nichts, dem man sich passiv ausgeliefert sehen muss, sondern ein Prozess, den man gestalten kann. Also ja: KI wird Journalisten helfen, die eigene Arbeit besser, schneller und gründlicher zu machen. Es ist ein Werkzeug, das unterstützt und kein Feind oder Konkurrent.

In deinem Blog sprichst du dich dafür aus, dass spekulative Geschichten, die mögliche Zukunftsszenarien zeichnen, eine größere Rolle im Journalismus spielen sollten. Ist KI nicht gerade für den Blick in die Glaskugel prädestiniert? Die Technologie kann bereits heute Bewegungen von Autos prognostizieren, um die Kollisionswahrscheinlichkeit zu reduzieren oder riesige Datensätze von Bildern nach Krebsanzeichen analysieren.

Ich glaube, dass Science und Speculative Fiction grandiose Werkzeuge sein können, um Diskussionen über mögliche und erstrebenswerte Zukünfte zu starten. Fast alle Bilder, die die Medien von der Zukunft zeichnen, stammen ursprünglich aus Marketing- und PR-Abteilungen. Und diese dienen ausschließlich dazu, ein Produkt oder eine Dienstleistung zu verkaufen. Wir als Gesellschaft und Journalisten haben die Wahl, ob wir diese Visionen so akzeptieren oder ob wir um die Deutungshoheit von Zukünften kämpfen wollen. Und ich spreche hier ganz bewusst von Zukünften im Plural. Denn mehrere Szenarien realistisch aufzubauen, zu erzählen und zu diskutieren, ermöglicht uns sehr viel bewusster auf eine oder mehrere solcher Zukünfte hinzuarbeiten und zu verstehen, welche wir vielleicht versuchen wollen zu verhindern. Da ich aber natürlich nicht in der Redaktion arbeite, kann ich das bei uns nur im Kleinen versuchen.

Nun kannst du für uns in die Zukunft blicken: Welche Medieninnovation wird deiner Meinung nach die Content-Branche nachhaltig verändern?

Ich finde derzeit zwei Themen besonders faszinierend, die ich unter die Begriffe “synthetische Medien” oder “CGx” packen würde. Kurz zusammengefasst sind wir in der Lage so ziemlich jedes Medium—egal ob Fotografie, Film, Texte oder Stimmen—fast realgetreu am Rechner zu generieren. IKEA setzt bereits seit vielen Jahren fast ausschließlich auf computergenerierte Fotografien in seinen Werbematerialien, gleiches gilt für einen Großteil der Autowerbespots. Oft fällt es Betrachtern auch kaum auf. Deep Fakes, also die Möglichkeit dies auch mit Machine-Learning-Techniken zu tun, sind ein weiteres Puzzlestück.

Ich denke, es dürfte interessant werden, wie sich die Demokratisierung dieser Techniken auf unseren Medienkonsum, auf das Vertrauen zu den Medien und die Wichtigkeit von Verifikationsprozessen für Journalisten auswirken wird. Ich glaube zwar nicht, dass wir auf eine “Post-Truth”-Apokalypse zusteuern, allerdings sehr wohl daran, dass da einiges an Arbeit auf Journalisten zu kommen wird. Selbstverständlich warten aber auch faszinierende und kreative Anwendungen auf uns.

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