Maschine, Mensch, Meinung - Prof. Dr. Andreas Moring zeigt die Möglichkeiten und Entwicklungschancen von KI auf

Der Einfluss von KI auf Geschäftsmodelle

Der Blick auf neue und zunehmend autonome Technologien und ihre faszinierenden Leistungen lässt gerne eine andere Frage vergessen, die nicht so spektakulär aussieht, aber letztlich entscheidend ist: Was passiert mit den etablierten Geschäftsmodellen? Das gilt vor allem für Medien und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Je mehr KI-Technologien und Methoden in und für Medien eingesetzt werden, desto mehr verändern sich Prozesse, Kostenstrukturen und Erlösströme. Aufhalten kann das niemand; aber jeder Media Worker kann sich vorbereiten. In unserem Blog zeigt Prof. Dr. Andreas Moring, Professor für Innovation & Digital Management an der International School of Management ISM in Hamburg, die Möglichkeiten und Entwicklungschancen auf, die sich durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz ergeben. 

Die letzten 25 Jahre haben die Medienlandschaft so stark verändert, wie nie zuvor. Das hat teils radikale Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle etablierter Medienunternehmen gehabt und hat es immer noch. Egal, in welchen Bereich wir schauen: Überall ist das gleiche Muster zu erkennen. Zeitungen und Zeitschriften verlieren kontinuierlich an Auflage und Erlösen mit ihren Printprodukten. In den vergangenen Jahren haben sie sich zu Online-Publishern weiterentwickelt, vom klassischen stationären Internet über Social Media bis in die mobile Ära von heute. Gleiches gilt für TV-Sender und das Radio. Auch das Musikbusiness vollzog in den letzten 30 Jahren einen krassen Wandel. Alle Medien mussten sich neue Erlösquellen und Geschäftsfelder erschließen und haben das wahlweise mit Classified-Plattformen, E-Commerce, Agenturleistungen oder Events getan.

Allgemein lassen sich Geschäftsmodelle und ihre Veränderungen sehr anschaulich mit der sogenannten Business Model Canvas darstellen, einer strategischen Management-Vorlage. Das Modell berücksichtigt dabei die die Kunden; die Kundenbeziehung; die Kanäle, über die ein Unternehmen mit seinen Kunden in Beziehung tritt; den Kern des Angebot; die wichtigsten Aktivitäten des Unternehmens, um herausragende Leistungsmerkmale bieten zu können; die entscheidenden Ressourcen für die Erstellung des Leistungsmerkmals; die Partner, auf die das Unternehmen für sein Geschäft unbedingt angewiesen ist; die Kostenstruktur des Unternehmens und die Erlösströmen. Mit diesen einzelnen Bausteinen lassen sich alle Geschäftsmodelle erklären und Veränderungen lokalisieren. So sieht man direkt, welche Bausteine betroffen sind und wie am besten darauf zu reagieren ist.

Durch autonome Systeme und Künstliche Intelligenz sind vor allem die Produktion, die Vermarktung und das Produktdesign betroffen. In der Produktion gibt es bereits heute eine Vielzahl von Beispielen, wo KI Arbeiten übernimmt oder neu definiert. Bereits seit 2015 nutzt die New York Times ihren sogenannten Editor, um mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz das Erstellen von Geschichten zu vereinfachen. Die BBC nutzt das KI-Tool Juicer, um große Datenmengen aus verschiedenen Quellen zu analysieren, selbstständig Zusammenhänge zu erkennen und diese für Menschen verständlich aufzubereiten und darzustellen. Und auch Reuters setzt KI-Technologien ein, um Daten zu visualisieren. Geht es bei den genannten Beispielen um die Auswertung und Darstellung, finden sich auch andere Beispiele für eine eher aktivere Produktion von Inhalten. Heliograf ist eine smarte Software, die die Washington Post einsetzt, um automatisch Nachrichten zu produzieren. „Yahoo! Sports“ nutzt ebenfalls eine ähnliche Software von Automated Insights für Sportberichte. Associated Press setzt KI für semantische Analysen, Datenauswertung und die automatische Produktion von Inhalten ein. Bei Quartz und dem britischen Guardian kommen KI-basierte Chatbots für ihre Newsangebote und andere mobile Services zum Einsatz.

Aber auch auf der anderen Seite der Wertschöpfungskette haben Technologien und Anwendungen der Künstlichen Intelligenz bereits Einzug gehalten. Entlang der gesamten Customer Journey von Medienkunden wollen autonome Systeme die Kundenansprache und die damit verbundenen unternehmensinternen Prozesse optimieren. Gelernt haben das Medien und Vermarkter von den unbestrittenen Spitzenreitern dieses Gebietes, E-Commerce-Giganten wie Amazon und Zalando. Diese nutzen ihr Wissen immer mehr dazu, selbst als Vermarkter und Werbedienstleister in Konkurrenz zu den etablierten Medien und auch zu Google und Facebook zu treten. In der Medienvermarktung ist über Programmatic Advertising ein Großteil des klassischen Anzeigenvertriebs bereits in die Automatisierung und damit auch in die Domäne von Machine Learning und Data Science übergegangen. Aus den Daten der Konsumenten ziehen Medien und Vermarkter mit Hilfe von selbstlernenden Systemen autonom Analysen und optimieren so die Werbe- und Kommunikationsstrategien. Auch in der späteren Kundenbindung spielt KI und vor allem Predictive Analystics eine große Rolle. Das alles macht die Prozesse schlanker und reduziert die Kosten.

Die genannten KI-Methoden haben noch eine weitere Auswirkung in einem anderen Bereich: Produktdesign. Standardangebote sind in digitalen Märkten ein aussterbendes Format. Individualisierte Produkte und Services lassen sich aber nicht in Handarbeit in der benötigten Masse erstellen. Das geht nur automatisch und maschinell. Trotzdem muss es zu den ganz persönlichen Bedürfnissen des Kunden passen – zumindest zu denen, die sich statistisch erkennen und ableiten lassen. Dies Kombination kann nur Künstliche Intelligenz leisten, die eben auf die Analyse von großen Datenmengen und die Optimierung von Ergebnissen spezialisiert ist. Auch das kennen wir originär aus dem E-Commerce und finden es bei Medienanbietern wie Netflix, Spotify oder auch Springers Upday App wieder.
Bezogen auf die anfangs erwähnte Business Model Canvas lässt sich ziemlich klar definieren, wo und wie KI Geschäftsmodelle verändert. So verändert die zunehmende Individualisierung im Produkt- und Servicedesign den Kern des Geschäftsmodells, die Value Proposition. Es zählt nicht allein die journalistische Qualität, sondern vielmehr, dass der Content auch zum einzelnen Kunden und Empfänger passt. Gleichzeitig wird die Kundenbeziehung immer persönlicher. In beiden Fällen können KI-Technologien wertvolle Dienste leisten.

Da KI in den beschriebenen Bereichen Produktion, Vermarktung und Design immer mehr Aufgaben übernimmt, ändern sich auch die Schlüsselaktivitäten für Media Worker. Und zwar weg von Routinearbeiten, hin zu mehr Dialog, Kundenverständnis und notwendigem Aufwand für zielgruppengerechte Qualität und ständige Innovation. Dazu sind auch Ressourcen und Partner nötig, die sowohl diese KI-Technologien beherrschen als auch typisch menschliche Kompetenzen mitbringen. Dadurch steigen die Technikkosten deutlich an, gleichzeitig sinken aber die Prozesskosten, da die Abläufe in den drei beschriebenen Bereichen effizient und optimiert laufen, wo sie automatisiert sind.

Diese verringerten Kosten fangen zum Teil die in der Werbe- wie der Contentvermarktung deutlich gesunkenen Preise und Margen auf (Revenue Streams). Über eine per KI-optimierte Kundenansprache und Kundenbindung und individualisierte Angebote lassen sich wiederum neue Zahlungsbereitschaften und Erlöse für neue Produkte und Services generieren. KI-Technologien ändern also an vielen Stellen konkret das Geschäftsmodell in der Medienwirtschaft, bieten aber gleichzeitig die Möglichkeiten und Anwendung darauf richtig zu reagieren.

Zum Autor: Professor Doktor Andreas Moring ist Professor für Innovation & Digital Management an der International School of Management ISM in Hamburg. Die Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit sind Digitale Geschäftsmodelle für Medien und Innovationsmanagement. Vor seiner aktuellen Professur arbeitete er für die Axel Springer AG, Schickler Unternehmensberatung und die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft. Er wurde für seine journalistische Arbeit und von ihm entwickelte Produkte und Formate in den letzten Jahren mehrfach ausgezeichnet.

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