Neue Studie aus Hamburg: Nachrichtennutzung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen

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#UseTheNews-Studie: Jungen Menschen fehlt bei journalistischen Nachrichten oft der Bezug zur eigenen Lebenswirklichkeit

Die Hälfte der Jugendlichen hält es nicht für wichtig, sich über Neuigkeiten und aktuelle Ereignisse zu informieren. Das führt zu einer starken Informationskluft, da die Jugendlichen somit deutlich schlechter informiert sind als ihre Altersgenossen, die regelmäßig auch journalistische Nachrichtenquellen nutzen. Zu diesen Ergebnissen kommt die #UseTheNews-Studie „Nachrichtennutzung und Nachrichtenkompetenz im digitalen Zeitalter“, initiiert von der dpa und der Hamburger Behörde für Kultur und Medien. Durchgeführt wurde die Studie vom Leibniz-Institut für Medienforschung. Die Ergebnisse wurden heute beim Mediendialog Hamburg vorgestellt und diskutiert – wir haben sie noch einmal zusammengefasst.

Die bundesweite Studie schlüsselt auf 91 Seiten erstmals präzise und detailliert auf, wie Jugendliche und junge Erwachsene Nachrichten konsumieren und liefert somit spannende Ergebnisse für die Medienbranche. Ein Kernergebnis der Untersuchungen zeigt, dass es nicht DIE Jugendlichen oder DIE jungen Erwachsenen gibt. Innerhalb derselben Alters- und Bildungsgruppe zeigen sich vier verschiedene Typen der Nachrichtenorientierung mit spezifischen Ausprägungen von Interesse, Nutzung, zugeschriebener Meinungsbildungsrelevanz und Informiertheit:

  1. Journalistisch Informationsorientierte: hohes Nachrichteninteresse, umfangreiche Nutzung und große Relevanz journalistischer Quellen bei geringer Relevanz nicht-journalistischer Angebote; gut informiert
  2. Gering Informationsorientierte: geringes Nachrichteninteresse, keine Nutzung und Relevanz journalistischer Quellen bei ebenfalls geringer Nutzung und Relevanz nicht-journalistischer Angebote; nicht gut informiert
  3. Umfassend Informationsorientierte: hohes Nachrichteninteresse, umfangreiche Nutzung und große Relevanz journalistischer und nicht-journalistischer Angebote; gut informiert
  4. Nicht-journalistisch Informationsorientierte: mittleres Nachrichteninteresse, keine Nutzung und Relevanz journalistischer Quellen bei hoher Relevanz nicht-journalistischer Angebote; nicht gut informiert

Oft fehlt bei journalistischen Nachrichten der Bezug zum eigenen Leben

Die Hälfte der Jugendlichen hält es nicht für wichtig, sich über Neuigkeiten und aktuelle Ereignisse zu informieren. Die Studienergebnisse zeigen: Bei journalistischen Nachrichten fehlt ihnen oft der Bezug zu ihrem persönlichen Alltag. Der wichtigste Grund, sich auf dem Laufenden zu halten, ist es, an Gesprächen und Diskussionen im Freundes- und Familienkreis teilnehmen zu können. Junge Menschen integrieren sich auf diese Weise in ihrem sozialen Umfeld. Auffällig ist zudem, dass die Jugendlichen, die das Gefühl haben, politisch etwas bewirken zu können, deutlich mehr Interesse an Informationen über das aktuelle Geschehen äußern.

Darüber hinaus wurde herausgefunden, dass die wichtigsten Aspekte journalistischer Berichterstattung für Jugendliche die Vermittlung von Fakten und die tiefergehende Analyse des aktuellen Geschehens sind. Die persönliche Meinung der Journalist*innen ist nur für geringe Anteile der Jugendlichen relevant. Das Wissen über Funktionen des Journalismus und Arbeitsweisen der Journalist*innen ist bei allen Jugendlichen eher gering.

Journalistische Angebote sind nur noch eine von vielen genutzten Informationsquellen

Mit 46 Prozent widmet sich insgesamt knapp die Hälfte der befragten Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren mehrmals pro Woche journalistischen Angeboten, aber 58 Prozent schauen auch auf nicht-journalistische Akteur*innen. Die Studie zeigt, dass Nachrichten journalistischer Prägung bei Jugendlichen und jungen Menschen bei der Meinungsbildung nicht mehr von entscheidender Bedeutung sind. Freunde, Familie und Bekannte haben eine spürbar höhere Relevanz. Allein bei den 18 bis 24-Jährigen liegt in der Gruppe der journalistisch Informationsorientierten das persönliche Umfeld mit den journalistischen Nachrichtenmedien gleichauf (59 Prozent, bzw. 61 Prozent).

Auffällig ist die hohe Relevanz von Influencer*innen auf die Meinungsbildung in der Gruppe der nicht-journalistisch Informationsorientierten aber auch bei den umfassend Informationsorientierten. So halten in der Gruppe der 14 bis 17-Jährigen 41 Prozent der umfassend Informationsorientierten, in der Gruppe der 18 bis 24-Jährigen 35 Prozent Influencer*innen sehr wichtig für die eigene Meinungsbildung.

Die Bedeutung von sozialen Medien bei der Nachrichtennutzung

Die Studie zeigt außerdem, dass Journalismus für viele Jugendliche und junge Erwachsene hauptsächlich über die jeweiligen spezifischen Angebote und weniger über Social Media Kanäle eine Rolle spielt. Zudem nutzen alle Jugendlichen, die in sozialen Medien Nachrichtenangebote abonniert haben, auch außerhalb dieser Plattformen regelmäßig journalistische Nachrichten. Eine weitere Beobachtung ist jedoch, dass der größte Anteil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen und ihre soziale Realität in den sozialen Medien nicht wahrnehmbar ist.

Auch das Engagement der Jugendlichen wurde in der Studie untersucht. Die Gruppe der journalistisch Informationsorientierten im Alter von 18 bis 24 Jahren ist beim Liken von Nachrichten auffallend zurückhaltend. Während von ihnen nur 28 Prozent regelmäßig den Like-Button klicken, sind es bei den nicht-journalistisch Informationsorientierten 73 Prozent. Umfassend und nicht-journalistisch Informationsinteressierte beteiligen sich am ehesten in sozialen Medien. Am aktivsten nutzen in beiden Altersgruppen die umfassend Informationsorientierten die Kommentarfunktion der Sozialen Netzwerke. Kommentare auf journalistischen Nachrichtenseiten werden von allen Gruppen insgesamt nur sehr sporadisch gepostet.

Handlungsempfehlungen für den Journalismus

Die Autor*innen der Studie haben auf der Grundlage der Ergebnisse ganz klare Handlungsempfehlungen für den Journalismus zusammengefasst: „Journalistische Anbieter sollten Wege entwickeln und erproben, die Alltagsrelevanz ihrer Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene herauszustellen und gleichzeitig zu zeigen, dass sie aufgrund ihrer Kompetenzen und Arbeitsweisen besser als andere Informationsanbieter*innen in der Lage sind, relevante Informationen zu liefern“, sagen die Studienautor*innen Uwe Hasebrink, Sascha Hölig und Leonie Wunderlich vom Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg. „Nur durch solides Handwerk sowie verlässliche und tiefgründige Inhalte aus verschiedenen Perspektiven kann es gelingen, sich von nicht- journalistischen und meinungsstarken Akteur*innen abzugrenzen und einen überzeugenden Mehrwert zu schaffen, für den man im Zweifel auch bereit ist Geld zu bezahlen“, so die Medienforscher*innen.

Zudem wird darauf hingewiesen, auch wenn journalistische Nachrichteninhalte in sozialen Medien aus Nutzer*innensicht eine vergleichsweise geringe Rolle spielen, dass es bei diesen Plattformen aufgrund ihrer weitverbreiteten Nutzung in der jungen Altersgruppe häufig zu zufälligen Kontakten mit journalistischen Angeboten komme. Daher sei es wichtig, dass insbesondere den jungen Nutzer*innengruppen, die noch wenig Bezug zu journalistischen Angeboten haben, der Mehrwert, den Journalismus liefern kann, in diesen zufälligen Kontakten deutlich wird. Den Funktionslogiken sozialer Medien entsprechende emotionale und dramatische Inhalte generieren zwar viele Interaktionen, seien jedoch austauschbar und nicht geeignet, junge Nutzende vom Konzept „Journalismus“ zu überzeugen.

Darüber hinaus zeigen die Befunde, dass es unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr unterschiedliche Zielgruppen gibt, die Platz für viele Arten von Journalismus bieten. Die Autor*innen betonen, dass sowohl aus der Perspektive, dass Journalismus zur demokratischen Meinungsbildung beitragen soll, als auch vor dem Hintergrund, dass Journalismus Nutzende braucht, die bereit sind, für als wertvoll erachtete Inhalte zu bezahlen, es wichtig ist, unterschiedliche Informationsorientierungen zu adressieren und z.B. auch die Bedürfnisse der in sozialen Medien nicht sichtbaren Jugendlichen zu berücksichtigen.

Studiendesign: Face-to-Face-Befragung von gut 1500 Personen im Herbst 2020

Das Design der Studie wurde entlang mehrerer Leitfragen entwickelt: Welchen Unterschied macht es, wo und wie sich Jugendliche und junge Erwachsene informieren? Und welche allgemeinen Muster der Orientierung gegenüber Nachrichten lassen sich in der digitalen Medienumgebung beobachten? Um diese Fragen zu beantworten, wurde in der Untersuchung das Zusammenspiel zwischen Nachrichteninteresse, Nachrichtennutzung, Informiertheit und Meinungsbildung untersucht. Dabei lag der Fokus auf der Bedeutung, die den verschiedenen journalistischen und nicht-journalistischen Nachrichtenangeboten bei diesem Zusammenspiel zukommt. Es wurden acht Gruppendiskussionen mit insgesamt 35 Teilnehmenden und eine Face-to-Face-Befragung mit jeweils 500 Personen aus den Altersgruppen 14-17 Jahre, 18-24 Jahre und 40-50 Jahre (n = 1.508) durchgeführt. Die Stichproben bilden ein strukturgleiches Abbild der deutschsprechenden Bevölkerung in Privathaushalten in den jeweiligen Altersgruppen hinsichtlich der Variablen Alter, Geschlecht, Region und Bildung (je 50 Prozent formal hoch und formal niedrig). Die Feldarbeit erfolgte durch die Gesellschaft für Innovative Marktforschung (GIM) zwischen dem 12.10. und dem 06.12.2020.

#UseTheNews: Der Nachrichtennutzung auf der Spur

Das bundesweite Projekt #UseTheNews geht der Nachrichtennutzung und -kompetenz junger Menschen auf den Grund und entwickelt neue Informations- und Bildungsangebote. In einem News Literacy Lab werden auf Basis der Studienergebnisse neue Nachrichtenangebote konzipiert. Begleitet wird das News Literacy Lab von Journalismus- Expert*innen der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). Darüber hinaus werden unter dem Titel Open News Education (ONE) Bildungsangebote, Unterrichtsmaterialien und Fortbildungen für Lehrkräfte entwickelt, um die Vermittlung von Nachrichtenkompetenz in Schulen zu stärken. Initiiert wurde #UseTheNews von der Deutschen Presse-Agentur dpa und der Hamburger Behörde für Kultur und Medien. Unterstützt wird das Projekt von einem Kuratorium aus namhaften Persönlichkeiten aus Medien und Politik.

Am 15. September widmen wir uns gemeinsam mit der dpa und dem Netzwerk Recherche dem Thema Journalismus für und von der jungen Zielgruppe – mit einem extra Fachtag auf unserer Innovationskonferenz für Medien. Kostenlose Tickets fürs scoopcamp gibt es bereits hier

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