Hype oder Zukunft? Die Blockchain

Smarte Lösungen für komplexe Herausforderungen der Contentbranche

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Die Blockchain ist tot – es lebe die Blockchain!

Als bahnbrechende Technologie gefeiert, war die Blockchain zuletzt im „Tal der Desillusionierung“ versunken. Jetzt entfachen boomende Kryptowährungen und spektakuläre Kunstdeals einen neuen Hype. Doch auch jenseits von Bitcoins und NFTs bieten Blockchain-basierte Anwendungen vielversprechende Lösungsansätze für die Herausforderungen der Contentbranche. Nach dem Absturz vom „Gipfel der übertriebenen Erwartungen“ könnte die Technologie schon bald das „Plateau der Produktivität“ erreichen. Grund genug, sich dem Thema Blockchain mit frischem Blick zu nähern.

Seit kurzem ist Mike Winkelmann Multimillionär. Jahrelang veröffentlichte der Amerikaner unter seinem Künstlernamen Beeple jeden Tag ein kleines am Computer generiertes Bild – mit eher bescheidenem Erfolg. Doch jetzt wurde eine Collage dieser Bilder für 69 Millionen Dollar beim Auktionshaus Christie‘s in New York versteigert.

Der Deal ist nur die Spitze eines Eisbergs. Rund um digitale Kunst entwickelt sich gerade ein gewaltiger Hype. Der Grund: Eine neue Verschlüsselungstechnologie auf Blockchain-Basis verspricht, entscheidende Probleme im Handel mit digitalen Gütern zu lösen.

Collage des Künstlers Mike Winkelmann alias Beeple
Diese Collage aus 5000 kleinen Bildern brachte Künstler Max Winkelmann alias Beeple 69 Millionen Dollar ein (Foto: Christie‘s)

NFTs verwandeln Dateien in handelbare Originale

Eigentlich sind digitale Werke, egal ob Bilder, Videos, Musik oder Software, niemals Unikate. Sie können ohne Abnutzungserscheinungen beliebig vervielfältigt werden und die Kopie ist immer identisch zum Original. Außerdem ließ sich bisher nur schwer nachweisen, wem ein bestimmtes Exemplar gehört.

Nun aber lassen sich durch so genannte „Non Fungible Tokens“ Daten unveränderbar im Internet sichern. Damit verwandeln NFTs normale Dateien in handelbare Originale. Simpel gesagt sind NFTs also digitale Echtheitszertifikate. Wer eine dieser „nicht austauschbaren Wertmarken“ besitzt, gilt als der rechtmäßige Eigentümer des damit verknüpften Gegenstands. Festgehalten werden Besitz und Besitzwechsel eines Tokens in einer Blockchain.

Millionenbeträge für Songs und simple Tweets

Begonnen hat der Siegeszug der NTFs in der Gaming-Branche. Schon 2017 konnte man beim Onlinespiel CryptoKitties digitale Katzen kaufen, züchten und weiterverkaufen. Bezahlt wurde mit Kryptowährung. In jüngerer Zeit entdecken auch Musiker*innen NFTs als Möglichkeit, ihre Werke direkt an Fans zu vermarkten: Die Sängerin Grimes hat eine Sammlung von Videos und Bildern durch NFT sichern lassen und für sechs Millionen Dollar verkauft. Für immerhin 250.000 Euro hat kürzlich der deutsche YouTuber und Singer-Songwriter Fynn Kliemann100 Werbejingles als NFT versteigert.

Gehandelt werden NFTs auf kuratierten Handelsplätzen wie Nifty Gateway oder Rarible oder auf offenen Plattformen wie Mintable und OpenSea, die gleich mehrere Millionen digitale Güter anbieten. Nicht nur Kunst und Musik stehen hier zum Verkauf. Beliebt sind auch Sammelobjekte oder virtuelle Grundstücke für diverse Spiele.

Um 80.000 Dollar reicher ist beispielsweise ein Gamer, der 64 verschiedene Grundstücke im virtuellen Spiel „Decentraland“ gekauft und diese anschließend als attraktives Anwesen wieder versteigert hat. Sogar simple Tweets finden Käufer*innen und manche werden teuer bezahlt: Satte 2,9 Millionen US-Dollar hat Twitter-Chef Jack Dorsey für ein NFT-Zertifikat dieses ersten Tweets von ihm erlöst:

Drohende Blase oder wertvoller Beitrag?

Solche Extrem-Beispiele nähren natürlich den Verdacht, dass rund um NFTs gerade eine gewaltige Blase entsteht. Ob ein Kunstwerk, ein Song, ein Tweet oder eine digitale Katze tatsächlich ein werthaltiges Investment darstellt, lässt sich kaum absehen. Auch intransparente und zum Teil sehr hohe Gebühren und Transaktionskosten können Kunstschaffenden wie Käufer*innen das Geschäft vermiesen.

Ganz zu schweigen von den ökologischen Kosten beim Handel mit NFTs. Die Tokens sind nämlich an die Kryptowährung Ethereum geknüpft. Deren Erzeugung ist zwar nicht ganz so energieintensiv wie das Mining von Bitcoins, verbraucht aber dennoch eine Menge Strom. Memo Akten, ein britischer KI-Künstler, hat akribisch recherchiert, wie hoch der Energieverbrauch von NFTs und Crypto-Art tatsächlich ist.

Seinen Berechnungen zufolge entspricht eine einzige NFT-Transaktion einem Äquivalent von 47 Kilogramm CO2. Damit käme der Fußabdruck eines einzelnen Tokens dem monatlichen Pro-Kopf-Stromverbrauch der EU-Bürger*innen gleich.

Der Hype um NFTs befeuert die Diskussion um Wertigkeit von Kunst im digitalen Zeitalter. Die ist heute drängender denn je.

Positiv betrachtet befeuert der Hype rund um NFTs aber auch die Diskussion um die Wertigkeit von Kunst im digitalen Zeitalter. Die ist heute drängender denn je: Gerade jetzt, wo Einkünfte aus dem Livebereich wegfallen, wird deutlich, dass digitale Kunst nicht angemessen vergütet wird. Gleichzeitig müssen sich Kunstschaffende mehr denn je mit digitalen Möglichkeiten auseinandersetzen, weil diese den einzigen Weg darstellen, mit der Welt in Kontakt zu bleiben.

Mit Smart Contracts den Contentmarkt demokratisieren?

Kein Wunder also, dass gerade jetzt auch die Idee wieder auflebt, digitale Technologien könnten den Contentmarkt demokratisieren. Schließlich ist im Netz Platz für jede noch so kleine Nische. Und mithilfe von sogenannten Smart Contracts auf Blockchain-Basis können theoretisch alle allen alles direkt verkaufen.

Schon 2015 hat die britische Musikerin Imogen Heap ein Konzept für einen fairen Musikmarkt vorgestellt, in dem Künstler*innen direkt an ihrer Arbeit verdienen. In Blockchain und Kryptowährungen sieht sie die idealen Werkzeuge, um die Verwaltung von Rechten und Einkünften in der Musikindustrie zu revolutionieren.

Die britische Musikerin Imogen Heap wünscht sich einen fairen Musikmarkt
Die britische Musikerin Imogen Heap will die Musikindustrie transparenter und fairer machen (Foto: Web Summit)

Auch Versuche, unabhängigen Journalismus über die Blockchain zu fördern, gab es bereits. Bisher allerdings wenig erfolgreich. Das 2016 vom New Yorker Journalisten Matthew Iles gegründete Startup Civil beispielsweise sollte eine neue Art von Medienkontrolle und -finanzierung schaffen, einen dezentralen Marktplatz für nachhaltigen Journalismus. Doch die selbstverwaltete Journalismus-Plattform schaffte es nicht, sich finanziell unabhängig aufzustellen und musste nach vier Jahren aufgeben.

Volle Kontrolle über Preis, Copyright und Lizenzierung

Andere Gründungen konnten sich hingegen behaupten. Wie zum Beispiel Photochain: Die Stock-Fotografie-Plattform ermöglicht Fotograf*innen durch den Einsatz von Blockchain- und KI-Technologie die Kontrolle über Preis, Copyright und Lizenzierung ihrer Bilder.

Oder auch Pindify: Die Plattform ist mit keinem geringeren Anspruch gestartet, als das „soziale Amazon der Kunst- und Medienwelt“ zu sein. Künstler*innen, Influencer*innen, Unternehmen und Konsument*innen sollen hier auf Blockchain-Basis transparent und gleichberechtigt miteinander handeln können.

Etwas bescheidener gibt sich das Leipziger Start-up Blockchain My Art, das 2020 mit dem Hamburger Music-WorX-Förderpreis ausgezeichnet wurde. Mit einer Blockchain-basierten App sollen Produktionsketten und Verteilungsschlüssel bei Kulturevents transparent gemacht werden: für Organisator*innen wie für das Publikum.

Transaktions- und Trust-Technologie für geistiges Eigentum

Doch auch jenseits von NFT-Hype und Start-up-Hoffnungen bietet die Blockchain viele und vielversprechende Einsatzmöglichkeiten in der Content- und Medienproduktion. Nach dem Vorbild der Finanzbranche lassen sich Blockchain-Anwendungen als Verifikations-, Transaktions- oder Trust-Technologie einsetzen.
Mit der Blockchain lässt sich die Historie eines Dokumentes lückenlos dokumentieren.

So wie die unveränderlichen, betrugssicheren Datensätze der Blockchain heute schon Finanztransaktionen sicher und transparent machen eignen sie sich zum Beispiel auch zum Schutz von geistigem Eigentum. Oder dafür, die Echtheit von Texten, Dokumenten und Quellen zweifelsfrei sicherzustellen. Mithilfe der Blockchain lässt sich die Historie eines Dokumentes von der Entstehung bis hin zur Verwertung lückenlos dokumentieren.

Pilotprojekte gab es dazu schon einige: So hatte beispielsweise Associated Press gemeinsam mit Civil eine Blockchain-basierte Technologie entwickelt, um die Lizensierung von Inhalten unter Einhaltung von Urheber- und Lizenzrechten zu erleichtern. Einen ähnlichen Ansatz hat in Deutschland eine Kooperation von dpa und dem Contentvermarkter Contiago verfolgt.

Ebenfalls mit Unterstützung der dpa, sowie von ZEIT Online, Golem und anderen sollte außerdem das Content-Blockchain-Projekt ein System für die Registrierung digitaler Content- und Lizenzinformationen auf einer Blockchain entwickeln. Das Ziel: Ein Prototyp für einen „krypto-ökonomischen Lizenzhandel für die Zweitverwertung digitaler Nachrichteninhalte“. Allerdings konnte keines dieser Projekte zu einem tragfähigen Geschäftsmodell skalieren.

Innovative Ansätze für komplexe Herausforderungen

Auf Basis von Blockchain-Technologie können Publisher*innen aber auch Autor*innenverträge oder andere Abschlüsse mit Medienpartner*innen abwickeln. Über das Transaktionsprotokoll der Blockchain lässt sich die Authentizität rechtlicher Dokumente jederzeit sicherstellen und für alle Vertragsparteien transparent machen.

Außerdem ließe sich beispielsweise auch feststellen, ob Content-konsumierende Nutzer*innen echt sind und der tatsächlichen Zielgruppe entsprechen. Im Advertising könnte die Blockchain dabei helfen, Klickbetrug zu verhindern und Bots, die die Anzahl von der Impressionen und Klicks künstlich in die Höhe treiben, zu entlarven. IBM hat dazu mit Unilever ein Pilotprogramm gestartet, bei dem die Authentizität von Impressionen und Klicks überprüft wird.

Auch für essenzielle Herausforderungen der Musikbranche bietet die Blockchain innovative Ansätze. Und die werden angesichts immer komplexerer Markt-Strukturen und der weiter wachsenden Datenflut (täglich werden allein bei Spotify über 60.000 Songs hochgeladen) dringend benötigt.

Automatisierte Prozesse und Smart Contracts wären eine Lösung für Probleme wie mangelnde Identifizierbarkeit, falsche Besitzansprüche und enorme Kosten durch zusätzliche Prüfungs- und Verifizierungsprozesse bei nicht oder falsch ausgezahlten Tantiemen.

30 innovationshungrige Medienmacher*innen, 1 Abend

In unserer dritten nextMedia.Session am 5. Mai 2021 beleuchtet Amke Block an verschiedenen Beispielen die bereits praktizierten Funktionsweisen von NFTs und die Potenziale eines Blockchain-basierten Ökosystems. Anschließend diskutieren wir in interdisziplinären Teams die Einsatzmöglichkeiten der Technologien in der Contentbranche insgesamt.

Interessiert? Hier erfahrt ihr mehr über das Digital-Event. Und hier könnt ihr euch für einen der 30 Teilnehmer*innen-Plätze bewerben. Der Anmeldeschluss ist der 25. April 2021.

Jetzt für die nextMedia.Session zum Thema „Blockchain & NFTs für die Contentbranche“ anmelden!

Warum sich das lohnt? Das US-Marktforschungsunternehmen Gartner ordnet Technologiethemen entlang eines sogenannten Hype-Cycles ein. Nach dem Absturz vom „Gipfel der übertriebenen Erwartungen“ steckt die Blockchain demnach jetzt im „Tal der Desillusionierung“. Doch danach folgt früher oder später das „Plateau der Produktivität“ – und darauf sollten wir uns jetzt unbedingt vorbereiten!

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