Sally Lehrman ist Gründerin von „The Trust Project“ und eine von vier Keynotern beim scoopcamp 2018.

Sally Lehrman (The Trust Project) beim scoopcamp

| | Journalismus

Zehn Jahre Trends, Tools und innovative Themen an der Schnittstelle zwischen Redaktion, Programmierung und Produktenwicklung: Das scoopcamp feiert am 27. September 2018 in der Hamburger Speicherstadt zehnjähriges Jubiläum. Im Rahmen der Innovationskonferenz für Medien von nextMedia.Hamburg und der Deutschen Presse-Agentur (dpa) wird unter anderem auch Sally Lehrman (The Trust Project) eine Keynote halten. Wir haben im Vorfeld mit der Journalismus-Ethikerin gesprochen.

Mit „The Trust Project“ wollen Sie glaubwürdigen Journalismus im Netz besser identifizieren und hervorheben. Wie soll das funktionieren?

Nachrichtenfirmen binden unser „Protokoll für Vertrauensindikatoren“ mittlerweile auf zahlreichen Seiten ein. Diese Vertrauensindikatoren geben Aufschluss über die harte Arbeit und ethische Sorgfalt der Berichterstattung der entsprechenden Newsrooms. Hier kann sich die Öffentlichkeit unter anderem darüber informieren, welche Aufgabe die Nachrichtenagentur hat, wer ihre Geldgeber sind, wer die Entscheidungsträger sind und über welche Expertise ihre Reporter verfügen. Die gleichen Informationen werden in Artikel-Metadaten aufgenommen und an Technologieplattformen übermittelt, die die Nachrichten anschließend verbreiten. Auf diese Weise können sie den Stellenwert einer Nachricht besser einschätzen und ihren Nutzern Informationen über die Herkunft zur Verfügung stellen.

Sie haben bereits 2014 mit „The Trust Project“ begonnen – noch bevor der Begriff „Fake News“ in den allgemeinen Sprachgebrauch kam. Gab es damals bereits Anzeichen einer sich abzeichnenden Vertrauenskrise in der Medienwelt?

Ich habe „The Trust Projekt“ ins Leben gerufen, weil ich die Sorgen der Redakteure vernahm, dass die digitale Umgebung die Nachrichtenqualität verschlechtert. Sie befürchteten, dass die Eile, Metriken zu verbessern und auf die Algorithmen der Technologieplattformen zu reagieren, zu Clickbait und sinkender Ethik führen würde. Gleichzeitig war das Vertrauen in die Nachrichten mindestens seit Beginn ihrer Digitalisierung Ende der 90er Jahre rückläufig.

Neben renommierten Verlagen wie der Washington Post, ZEIT ONLINE, der dpa-Nachrichtenagentur sind Facebook, Google und Twitter ebenfalls Teil der Initiative. Die Zusammenarbeit mit großen Technologieunternehmen ist auch wichtig, weil sie Informationen über den Hintergrund eines Artikels liefert und die Metadaten in den Trefferlisten berücksichtigt. Aktuelle Umfragen zeigen jedoch, dass viele Nutzer sogar Google und Facebook misstrauen. Sind die großen Medien mitverantwortlich für die Krise?

Wir sind ein weltweites Netzwerk von Nachrichtenorganisationen, die zusammenarbeiten, um eine vertrauenswürdigere Presse zu schaffen. Google, Facebook, Bing und Twitter sind unsere externen Partner, die wir natürlich brauchen, da sie die großen Nachrichtenverteiler sind. Wir helfen diesen Technologieplattformen Nachrichten mit Integrität zu liefern, die von legitimen Nachrichtenorganisationen produziert werden, die sich an journalistische Werte halten und das öffentliche Interesse in den Mittelpunkt stellen.

Um Fake News zu bekämpfen, will Facebook Nutzern ermöglichen, selbst anzugeben, welche Nachrichtenquellen sie kennen und ob sie ihnen vertrauen. Ist es nicht ein falsches Signal, der Gesellschaft die Regulierung zu überlassen? Sollte der Kampf gegen Falschmeldungen nicht im Europäischen Parlament beginnen und von außen reguliert werden?

Ich bin zuversichtlich, dass Facebook mehr tun wird, als die Nutzer nur zu fragen, welche Nachrichtenquellen sie kennen und ob sie ihnen vertrauen. Es ist ein zu großes Problem, als dass man es mit einer einfachen Umfrage lösen könnte. Unsere Redaktionspartner verantworten sich hervorzuheben, welcher Einsatz hinter ihrer Arbeit steckt und einheitliche Indikatoren auf verschiedenen Nachrichtenseiten zu zeigen, damit Menschen es leichter haben, integeren Journalismus zu erkennen. Als Netzwerk aus Nachrichtenagenturen beziehen wir zu Regulierung keine Stellung.

Am 27. September sind Sie zu Gast beim scoopcamp, das sich mit Innovationen und neuen Formaten im Journalismus beschäftigt. Was sind die wichtigsten Trends, denen sich in den nächsten Jahren niemand entziehen kann?

Ich freue mich darüber, beim scoopcamp dabei zu sein und die vielen großartigen Menschen und Organisationen zu treffen, die teilnehmen werden. Wir werden uns auf der ganzen Welt weiterhin gegen Angriffe auf Nachrichtenorganisationen und Journalisten, deren ehrliche und unerschrockene Berichterstattung als „Fake News“ abgetan wird, und gegen andere Bemühungen, die Presse zu diskreditieren oder Verwirrung und Unsicherheit in der Öffentlichkeit zu stiften, behaupten müssen.
Mehr Redaktionen werden auf das Bedürfnis der Öffentlichkeit eingehen müssen, ihre Richtlinien und Praktiken transparenter zu machen und sowohl auf dem Blatt als auch im realen Leben, stärker mit der Öffentlichkeit zu interagieren. Glücklicherweise werden Werbetreibende zunehmend erkennen, wie wichtig es ist, sich nach qualitativ hochwertigen und vertrauenswürdigen Nachrichten auszurichten. Auch müssen Nachrichtenorganisationen weiterhin nach Geschäftsmodellen suchen, die insbesondere angesichts des großen Anteils der Werbung, der derzeit von technischen Plattformen absorbiert wird, funktionieren.

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