Christian Stöcker (r.) im Gespräch mit seinen Studierenden. Fotocredit: Sebastian Isacu

Christian Stöcker (HAW Hamburg) über Ausbildung von Talenten

| | Journalismus

Der „Media Innovation Buzz“ bringt am 27. November 2018 talentierte Media Worker mit renommierten Unternehmen und spannenden Trendthemen in Kontakt. Doch wie werden diese High Potentials ausgebildet und worauf kommt es bei der Ausbildung überhaupt an? Antworten darauf gab uns Christian Stöcker, Leiter des Master-Studiengangs Digitale Kommunikation an der HAW Hamburg.

Auf Ihrer Website heißt es „Europas modernster Mediencampus“. Was genau zeichnet den Campus der HAW als modernsten Mediencampus Europas aus?

Die Fakultät Design, Medien und Information der HAW Hamburg ist, sowohl technisch als auch was die Kompetenzen von Lehrenden und Studierenden angeht, in der Tat einzigartig: Technisch bietet der Campus ein Ton- und ein Lichtlabor, eine Cave für immersive Anwendungen, Virtual-Reality-, Agumented-Reality und klassische Audio-Video-Produktionsmöglichkeiten, das HAW Gameslab sowie vollwertige TV-Studios. Und das sowohl auf dem Campus selbst als auch beim im gleichen Gebäude angesiedelten Hamburger TV-Sender Tide, mit dem es Kooperationen gibt. Die HFBK liegt auf der anderen Straßenseite, die HMS auf dem gleichen Flur und die Miami Ad School steht in unserem Innenhof. Demnächst wird das AV-Labor des Departments Information dank einer Stiftungsspende noch um die Möglichkeit erweitert, normale und 360-Grad-Drohnenvideos zu produzieren. Mit Leben gefüllt wird diese technische Rundumausstattung von Lehrenden, die sich mit Themen von Gamedesign bis Illustration, von Immersive Audio bis Journalismus, von Projektions- und Veranstaltungstechnik bis Social Media und Wissensmanagement beschäftigen. Studierende der Studiengänge der Departments Design und Medientechnik kooperieren immer wieder in Projekten mit Studierenden der Digitalen Kommunikation, was für das hier gelebte Modell extrem wichtig ist: Interdisziplinäre Zusammenarbeit kann man nicht theoretisch lehren, nur praktisch üben.

Welche Zukunftsaussichten hat ein Absolvent mit dem Abschluss ʺMaster of Artsʺ dieses Studienganges?

Noch hat der Studiengang Digitale Kommunikation keine Absolventin und keinen Absolventen vorzuweisen, der erste Jahrgang wird sein Studium erst im Frühjahr 2019 abschließen. Schon jetzt sind wir allerdings manchmal damit beschäftigt, manche unserer Praxispartner davon abzuhalten, unsere dort in Praxisprojekten steckenden Studierenden noch vor dem Abschluss abzuwerben. Das zweite Studienjahr „Digitale Kommunikation“ besteht aus zwei kleineren und einem großen Projekt, und all diese Projekte werden in der Regel mit Partnern durchgeführt: Unternehmen, NGOs oder andere Organisationen. Im aktuellen Jahrgang haben Studierende unter anderem in der Kommunikationsabteilung von Beiersdorf, bei Greenpeace, bei Eventim, beim SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE, dem Hamburger Presseclub, bei Start-ups, Agenturen oder internationalen NGOs Projekte realisiert. Drei Studentinnen haben zwei Monate lang von New York aus über die Zukunft der Arbeit gebloggt und gepodcastet (http://schichtwechsel.blog/), finanziert von Faktor3 und Microsoft, ein anderer war mit selbst eingeworbenem Geld von der ZEIT-Stiftung und zwei Kollegen aus dem Department Medientechnik monatelang in Griechenland unterwegs und hat eine extrem eindrucksvolle Multimediareportage über das vermeintliche Ende der Krise produziert (https://neoskosmos.eu/). Allein im Sommersemester waren es 48 Projekte. Wie gefragt unsere Studierenden bei den Projektpartnern sind, zeigt uns deutlich, dass sie auch was ihre Berufsaussichten angeht, auf einem sehr guten Weg sind, egal, ob sie im Journalismus, der Unternehmenskommunikation, dem Corporate Publishing, dem Marketing oder einem ganz anderen Bereich landen. Zwei Studentinnen haben während des Studiums auch schon Unternehmen gegründet.

Was sind die genauen Anforderungen? Welche spezifischen kreativen Fähigkeiten sollte man mitbringen?

Die formalen Voraussetzungen bestehen vor allem aus einem beliebigen Bachelor-Abschluss und guten Deutsch- und Englischkenntnissen. Wir machen beim Abschluss bewusst keine Vorgaben, weil wir möglichst bunte Teams zusammenstellen möchten. Manche haben einen Bachelor in Medien- oder Kommunikationswissenschaft, andere eher aus PR-Studiengängen – und andere kommen mit einem Bachelor in Schifffahrtslogistik, sozialer Arbeit oder Gender Studies. Je vielfältiger das Vorwissen, desto kreativer ist eine Redaktion, und auch das ist jeder Jahrgang Digitale Kommunikation eben. Vorausgesetzt wird natürlich ein Interesse an digitaler Kommunikation, am Schreiben, Fotografieren, Drehen, Kommunizieren. Wir haben deutlich mehr Bewerberinnen und Bewerber als Studienplätze, alle müssen Arbeitsproben einreichen und hier vor Ort ein Auswahlverfahren durchlaufen.

Inwiefern behandelt der Studiengang das Thema „Medieninnovation“?

Der Studiengang betreibt als Redaktion das Onlinemagazin FINK.HAMBURG und diverse dazugehörige Social-Media-Kanäle. All das ist gleichzeitig Lehr- und Lernwerkzeug und Versuchslabor für Medienformate und -ideen. Im Rahmen einer Kooperation mit dem Recherchebüro Correctiv zu deren Crowdrecherche „Wem gehört Hamburg?“ haben die Studierenden zum Beispiel für Facebook ein serialisiertes Format von 360-Grad-Fotos aus dem Inneren von Hamburger Wohnungen entwickelt, von der Studentin bis zum Flüchtling, bei dem alle relevanten Informationen im drehbaren Bild selbst untergebracht sind. Das kam sehr gut an. Die Kombination aus gewaltigen technischen Möglichkeiten und geballtem Know-how an der Fakultät eröffnet da ganz von alleine Innovationsmöglichkeiten. Die Studierenden lernen, wie Suchmaschinen und soziale Medien funktionieren, sie schrauben am Redaktionssystem und beschäftigen sich mit HTML und CSS. Außerdem laden wir in unseren Newsroom viele Gastdozentinnen und Dozenten aus der Praxis ein, die dann etwa über Chatbots reden, über Entrepreneurial Journalism, über App-Entwicklung oder Multi-Channel-Kampagnen. Weil wir nach dem Prinzip des „Teaching Hospital“ arbeiten, werden solche Erkenntnisse dann oft direkt in der täglichen Redaktionsarbeit wieder praktisch umgesetzt – oder später in den Praxisprojekten mit Partnern.

Im Newsroom werden für das Onlinemagazin FINK.HAMBURG unter „realistischen, professionellen Bedingungen“ regelmäßig journalistische Beiträge verfasst. Wie praxisorientiert arbeiten die Studenten?

Maximal praxisorientiert. FINK.HAMBURG ist während des Semesters ein normales, tagesaktuelles digitales Lokalmedium mit responsiver Website, Videoproduktion und diversen Social-Media-Kanälen. Alle Studierenden arbeiten in dieser Redaktion vierzig Stunden die Woche. Sie übernehmen rotierend alle relevanten Funktionen: Chef vom Dienst, Tickerredakteur, Social-Media-Redakteur, Reporter, Ressort-Redakteur, Schlussredakteur. Alle schreiben, fotografieren, drehen, schneiden, produzieren Grafiken und gelegentlich noch andere Medienprodukte wie Newsgames, dann oft in Kooperation mit Studierenden aus anderen Studiengängen. Gelegentlich wird die Seite vorübergehend monothematisch – das war zum Beispiel während des G20-Gipfels der Fall (https://fink.hamburg/g20/) oder während des Hamburger Filmfestes, dessen Medienpartner wir mit FINK.HAMBURG 2018 (https://fink.hamburg/filmfest-hamburg-2018) schon zum zweiten Mal waren. Außerdem arbeiten wir eng mit Hamburger Medien wie dem Hamburger Abendblatt oder SPIEGEL ONLINE zusammen, sowohl was Praktika und Projekte angeht als auch beim Thema Gastvorträge.

Am 27. November veranstaltet nextMedia.Hamburg den sogenannten Media Innovation Buzz, bei dem High Potentials hinter die Kulissen von fünf Hamburger Medien- und Digitial-Unternehmen blicken können und sich so mit Experten austauschen können. Wie wichtig ist dieser Wissenstransfer für das Innovationsökosystem in Hamburg?

Ich finde viele der tollen Vernetzungsgelegenheiten, die in den vergangenen Jahren entstanden sind, extrem wichtig, und der Gedanke hinter dem Media Innovation Buzz deckt sich sehr mit dem hinter unserem Studiengangskonzept – das wir übrigens dem Kollegen Steffen Burkhardt verdanken, der es entwickelt hat. Hamburg hat sowohl in technischer wie in kreativer Hinsicht sehr viel zu bieten, und gleichzeitig ist es auch für erfahrene Profis in einer sich so schnell drehenden Medienlandschaft wie der von heute wichtiger denn je, früh mit jungen Medienmacherinnen und – machern in Kontakt zu kommen, weil deren Blick auf Themen und Herangehensweisen oft ein ganz anderer, sehr interessanter ist.

Wie schätzen Sie die die allgemeine Vernetzung zwischen Unis/Studenten und der freien Marktwirtschaft ein?

Bei all den Vernetzungsaktivitäten, die wir rund um den Studiengang entfaltet haben und mussten, von der Einwerbung von Deutschlandstipendien für unsere hart arbeitenden Studierenden über die Akquise von Projekten und Gastdozenten haben wir überall offene Türen und sehr interessierte Ansprechpartner vorgefunden. Eric Newton von der Knight Foundation in den USA hat einmal gesagt: „Digital natives who want to tell stories are the greatest asset a journalism school can ever have. An asset that some media companies would kill for.“ Ich finde, er hat Recht, er irrt nur in einem Punkt: Das Wort „media“ kann man aus dem Zitat streichen.

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